Zielkonflikte sind mindestens zwei Ziele, die in Konkurrenz zueinanderstehen. In Unternehmen braucht es Führung durch Personen und Strukturen, um bei Zielkonflikten handlungsfähig zu bleiben. Wie das genau funktioniert, hat mir Dr. Reinhold Bartl gezeigt und erkläre ich euch in diesem FRITZ Tipp.
Inhalt
Was sind Zielkonflikte?
Zielkonflikte sind mindestens zwei Ziele, die in Konkurrenz zueinanderstehen. Zielkonflikt Beispiele in sozialen Systemen sind inhaltliche Ausrichtung, soziale Zugehörigkeit, knappe Ressourcen und unklare Qualität.
Fritz Simon beschreibt treffend, wie wir üblicherweise mit Paradoxien und daraus entstehenden Zielkonflikten umgehen:
- Negation: Der Zielkonflikt ist kein Problem, sondern nur eine Frage des Mindsets.
- Eindeutigkeit: Das ist überhaupt kein Zielkonflikt, Ziel A ist die einzig wahre Lösung.
- Differenzierung: Wir schaffen eine Insellösung auf der nur Ziel A gilt.
- Oszillation: Wir wandern zwischen den Zielen hin und her, zwischen alt und neu.
- Scheinheiligkeit: Wir tun so als ob wir so wären, z.B. Green Washing.
Das einzige was wir in Wirklichkeit tun können ist ein ständiges auszubalancieren bzw. neu priorisieren bei Zielkonflikten, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Inhaltliche Ausrichtung
In jedem sozialen System gibt es unendlich viele Möglichkeiten, in die man sich bewegen kann. Inhaltliche Zielkonflikte sind eine natürliche Folge. Hier braucht es inhaltliche Ausrichtung von Teams, Abteilungen oder Unternehmen auf ein klares und akzeptiertes Ziel oder zumindest einen Nordstern.

Bei Führung durch Personen ist es die Aufgabe von Führungskräften oder Projektleitern bei inhaltlichen Zielkonflikten zu priorisieren, um die Entscheidungsfähigkeit im sozialen System zu erhalten.
Diese Orientierungsleistung kann aber auch durch Strukturen wie Leitbild, Strategie, Management by Objectives (MbO), Objectives and Key Results (OKR) oder Sprint-Ziele erfolgen.
In diesem Sinne gibt eine gute Strategie Klarheit darüber, wohin die Reise gehen soll und wie wir dahin gelangen. Vor allem durch Ausschluss der Optionen, die wir auf gar keinen Fall wollen.
So gedacht, entlastet eine gute Strategie Führungskräfte bei der inhaltlichen Ausrichtung des Teams oder des Unternehmens.
Soziale Zugehörigkeit
Im Gegensatz zu einer Gruppe hat ein Team ein gemeinsames Ziel. Wer teil eines Teams sein möchte, ist bewusst oder unbewusst bereit, sich einem gemeinsamen Ziel unterzuordnen. In weiterer Folge ist es die Pflicht von jedem Team-Mitglied, zieldienliche Beiträge zu liefern.

Jeder Beitrag, der dem Team hilft, seinem Ziel näher zu kommen, ist erwünschtes Verhalten. Wer sich dem gemeinsamen Ziel nicht unterordnet oder keine zieldienlichen Beiträge liefert, verliert seine Berechtigung am Team teilzunehmen. Hier entsteht ein sozialer Zielkonflikt.
Führung kommt bei diesem Zielkonflikt die Aufgabe zu Klarheit zu schaffen, wer weiterhin im Team ist und wer nicht mehr dabei sein darf. Diese Klarheit kann durch die Führungskraft geschaffen werden, die über die Teamzugehörigkeit in Form von Einstellung, Versetzung oder Kündigung entscheidet.
Aber auch durch zweckdienliches Organisationsdesign. Eine Matrixorganisation ist zum Beispiel ein sozialer Zielkonflikt, der in den Strukturen des Unternehmens eingebettet ist. Dezentrale Organisationseinheiten ohne Abhängigkeiten untereinander sind eine Möglichkeit, um soziale Zielkonflikte zu umgehen, wie das Haier-Beispiel zeigt:
Knappe Ressourcen
Ressourcen sind immer knapp, egal ob Zeit, Geld oder Mitarbeiter. Das kann Zielkonflikte auf mehreren Ebenen erzeugen. Der Teamleiter in der Produktion der über zu wenige Mitarbeiter wegen Krankenstand verfügt. Der Projektmitarbeiter, der sich immer wieder entscheiden muss, ob er seine Zeit ins Projekt oder ins Tagesgeschäft investiert. Oder der Geschäftsführer dem das Geld für eine wichtige Investition fehlt.

Deshalb muss Führung priorisieren, welche Aufgaben wichtig oder weniger wichtig sind und deshalb mehr oder weniger Ressourcen bekommen. Dies kann durch die Führungskraft in Person erfolgen, die die Priorisierung hinsichtlich Ressourcen vorgibt: Prio 1, 2, 3.
Aber auch durch Strukturen, wie Projektportfolio-Management, Budgetierungsprozess oder Transparenz für alle Teammitglieder, um das Spiel umzudrehen. Das Unternehmen Buffer macht zum Beispiel sämtliche Gehälter und KPIs öffentlich zugänglich.
Unklare Qualität
Qualität ist kein absoluter, sondern ein relativer Maßstab, der durch den Kunden vorgegeben wird. Da nicht jeder Mitarbeiter im ständigen Austausch mit dem Kunden ist, muss sichergestellt werden, dass die Kundenanforderungen in den Köpfen aller Mitarbeiter präsent sind.

Führung muss deshalb einen Feedback-Prozess installieren, um dem Team einen Abgleich zwischen IST und SOLL zu ermöglichen. Entweder entscheidet Führungskraft, Product Owner oder direkt der Kunde in Form einer Beschwerde, wann gut, gut genug ist.
Oder wir schaffen Strukturen wie SCRUM mit Definition of Done, ein Qualitätsmanagement-System oder sauber definierte Stellenbeschreibungen, um die vereinbarte Qualität zu liefern. Die richtigen Mitarbeiter für die jeweiligen Projekte oder Aufgaben werden in der richtigen Qualität liefern und die Führungskraft bei Zielkonflikt hinsichtlich Qualität zu entlasten.
Fazit – Zielkonflikte priorisieren
Zielkonflikte tauchen immer dann auf, wenn Ziele nicht bekannt, umstritten oder konkurrierend sind. Führung durch Personen und Strukturen braucht es, um bei Zielkonflikten auszubalancieren bzw. neu zu priorisieren, lösen geht ja leider nicht. Wenn Führungskräfte aus der Gleichung genommen werden, müssen nach Muster die Regler Strategie, Organisation und Personal umso höher gedreht werden.
Wenn die Regler höher eingestellt sind, kann der Endverstärker Führung nur noch gering auf Signale einwirken. Wenn die Regler niedriger eingestellt sind, muss der Endverstärker Führung umso stärker eingreifen, um die Zielkonflikte auf operativer Ebene zu verhandeln und entscheiden.
Dr. Patrick Fritz
Zu diesem anregenden Artikel fallen mir zwei Aspekte ein, die ich in dem Kontext für wichtig halte: Wie kommen wir zu Führungskräften und was ist ein taugliches Ziel.
Zu ersten Punkt schreibst du, Führung ist kein Status. Das sehe ich genau so. Führung wird durch die Geführten ermöglicht. Wem wird in welcher Situation vertraut? Daher ist Führung in der Regel situativ.
Der Begriff „Ziel“ wird leider meist unscharf verwendet und z.B. oft mit Vorgabe verwechselt. Wenn ich das Ziel habe, an einer Olympiade teilzunehmen, muss ich Verbandsnormen (Vorgaben) erfüllen. Das Ziel motiviert und eint und lässt sich auch Sponsoren vermitteln. Eine Vorgabe ist Mittel zum Zweck.
Hallo Uwe,
mir erscheint der Aspekt „Vertrauen“ sehr wichtig, den du in die Diskussion einführst. Wenn eine Führungskraft bei Zielkonflikten priorisieren soll, hört sich das zunächst wie eine technische Funktion an oder eine simple Wenn-Dann-Logik. Da ein Zielkonflikt defacto nicht auflösbar ist, braucht es Vertrauen der Geführten in die Führungskraft. Sie, die Führungskraft, wird schon wissen oder ein Gefühl dafür haben was in der aktuellen Situation wichtig ist.
LG Patrick
Ja genau, Führung hat für mich wenig mit „technokratischen“ Vorgehen zu tun. Dennoch werden wir in der Führung am Erfolg gemessen, wie immer auch der Beitrag der Führung dazu aussieht. Mein Lesetipp dazu: Reinhard Sprenger: Radikal führen, Campus, 2012.
😉 😉 😉
http://www.fritz.tips/aufgaben-einer-fuehrungskraft/
LG Patrick
Ich denke es braucht Führung. Führung die sich um das WAS und vor allem um das WARUM kümmert. Wenn sich Führung zu sehr um das WIE kümmert, beginnt sie zumeist zu „nerven“ 😉
Persönlich denke ich auch, dass wir Führung akzeptieren solange sie uns einen Vorteil bietet. Und je größer der Vorteil uns scheint, desto motivierter folgen wir.
Solche Vorteile können sein Schutz, Orientierung, Entwicklungsperspektiven, Wertschätzung, Sozialkontakte, Lerngelegenheiten, Macht-Partizipation . . .
Solche Vorteile schaffen m. E. das nötige Vertrauen.
Deshalb denke ich, dass Führungskräfte dort sinnvoll eingesetzt und erfolgreich sind, wo es ihnen gelingt auf dieser Basis das Vertrauen des Teams zu gewinnen. Eben das Vertrauen, dass es vorteilhaft ist, der Führungskraft zu folgen 😉
Hallo Josef,
vielen Dank für deinen Kommentar!
Das Thema Vertrauen beschäftigt mich schon länger. Es gibt ja immer wieder diesen Spruch, Vertrauen muss erarbeitet werden. Das lese ich auch aus deinem Kommentar heraus. In der Praxis erlebe ich das jedoch umgekehrt. Vertrauen wird (muss?) vorab geschenkt werden und anschließend entweder enttäuscht oder bestärkt.
Beste Grüße
Patrick
Hallo Patrick,
es ist vielleicht beides nötig. Ohne den ersten Schritt (Vertrauensvorschuss) würde der Prozess der Vertrauensbildung gar nicht ermöglicht. Die Größe des Vorschusses ist wohl individuell verschieden. Von da an kann Vertrauen dann im Idealfall „wachsen“. Ich denke auch, dass Vertrauen mit zunehmender „Größe“ robuster wird.
Dass einem vorab ein großes, robustes Vertrauen geschenkt wird, erleben wir wohl nur dann, wenn uns ein hervorragender Ruf vorauseilt (und den guten Ruf kriegt man m. E. auch nicht geschenkt).
Ich denke also Vertrauen wächst recht langsam. Wenn es noch relativ klein ist kann es sehr schnell schwinden (bis hin zum plötzlichen totalen Vertrauensverlust). Und großes Vertrauen übersteht auch die eine oder andere Irritation da es robuster ist.
Vielleicht verhält es sich mit dem Vertrauen ja ähnlich wie mit der Motivation und wir müssen es uns nicht erarbeiten – es reicht schon, wenn wir es nicht zerstören 😉
Schöne Grüße
Josef