„Wissensmanagement ist tot“, damit eröffnete Referent Jörg Dirbach seinen Impulsvortrag im Rahmen des Führungskreis Softwareentwicklung. Was hinter der provokanten Einschätzung eines renommierten Experten steckt und wie du trotzdem das Beste aus Wissensmanagement machst, zeige ich dir in diesem FRITZ Tipp.
Was ist Wissen?
Prof. Dr. Klaus North beschreit mit der Wissenstreppe wie auf Basis von Zeichen, Daten und Informationen Wissen entsteht:

- Zeichen: Das können Buchstaben, Symbole, Emojis oder Visualisierungen sein.
- Daten: Mit einer Syntax (=Ordnungssystem) wird aus Zeichen Daten, z.B. ein Geburtsdatum.
- Informationen: Ergänzt um Bedeutung wird aus Daten Information, z.B. Mein Geburtstag.
- Wissen: Wissen ist Information in einem Kontext und damit an Personen gebunden.
- Handeln: Handeln entsteht, wenn erworbenes Wissen in der Praxis angewendet wird.
- Kompetenz: Kompetenz ist die Fähigkeit, Wissen in einem Kontext richtig anzuwenden.
- Wettbewerbsfähigkeit: Sind Kombinationen von Kompetenzen die einzigartig am Markt sind.
Wissen ist ein Prozess der individuellen Aneignung von Informationen. Wissen ist also immer an einer Person gebunden und damit gerechtfertigter wahrer Glaube.
Quelle: Persönliche Mitschrift beim Video-Seminar von Prof. Dr. Klaus North
Jetzt wird klar, warum das Wort Wissensdatenbank ein absoluter Blödsinn ist. In einer Datenbank sind Daten und kein Wissen. Das Gehirn ist keine Datenbank.
Wissen wird nicht übertragen, sondern entsteht im Kopf des Empfängers. Wissenskonstruktion ist ein aktiver und höchst individueller Prozess.Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Eingangsstatement, Wissensmanagement ist tot, weil damit häufig Wissensdatendanken gemeint sind, die zu Gräbern verkommen sind.
Über das Externalisierungsproblem von impliziten Wissen (Wissensspirale nach Nonaka und Takeuchi) haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. Zur Vertiefung empfehle ich an dieser Stelle folgendes Video:
Was ist Wissensmanagement?
North folgend sollten wir von Informations- oder Datenmanagement sprechen, wenn wir eine Datenbank als vermeintliche Lösung im Sinn haben. Was meint Wissensmanagement dann?
Strategisches Wissensmanagement meint die Wissenstreppe von oben nach unten zu gehen. Welche Kompetenzen müssen wir aufbauen, um einzigartig am Markt zu sein?
Operatives Wissensmanagement meint die Wissenstreppe von unten nach oben zu gehen. Wie sieht z.B. ein effizientes Informationssystem im Unternehmen aus?
Quelle: Persönliche Mitschrift beim Video-Seminar von Prof. Dr. Klaus North
Das von Dirbach vorgestellte Dreyfus Model of Skill Akquisition finde ich im Zusammenhang mit der Kompetenzfrage besonders spannend.
Das Modell der Gebrüder Dreyfus unterscheidet zwischen 5 Stufen oder Reifegraden beim Erwerb von Kompetenzen: Anfänger, Kompetenter, Profi, Experte und Meister.
Kompetenzstufe | Kompetenzerwerb |
Anfänger | Befolgt kontextfreie Regeln, Rezepte, Anleitungen und löst einfache Probleme. |
Kompetenter | Löst sich von festen Regeln und beginnt komplizierte Probleme zu lösen, ggf. mit Unterstützung/ Coaching. |
Profi | Entwickelt konzeptionelle Modelle des Problembereichs (big picture) und beginnt komplexe Probleme zu lösen, ggf. mit Unterstützung/ Coaching. |
Experte | Kann komplexe Probleme selbstständig lösen und sucht den Austausch mit ähnlich erfahrenen Personen. |
Meister | Arbeitet oft intuitiv, konzentriert sich auf relevante Details, ist sehr gut im zielgerichteten Mustervergleich. |
Wenn es darum geht (einzigartige) Kompetenzen im Unternehmen aufzubauen, stellt sich unweigerlich die Frage nach effizientem und effektiven Wissenstransfer, entlang der 5 Kompetenzstufen.
Auch wenn es Wissenstransfer im strengen Sinne nicht gibt, weil Wissen nicht übertragen werden kann, sondern im Kopf des Empfängers entsteht, liefert das Dreyfus Modell eine sehr gute Orientierung.
Wie Wissensmanagement funktioniert?
Für Experte Dirbach müssen drei Aspekte beachtet werden, damit Wissenstransfer nach Dreyfus erfolgreich sein kann. Wissenstransfer funktioniert dann optimal, …
- …wenn Wissensträger und Wissensempfänger gemeinsam einer Problemstellung ausgesetzt sind.
- …wenn der Wissensträger dem Wissensempfänger je nach Kompetenzlevel erklärend hilft eine Lösung zu entwickeln (erklären und betreutes machen).
- …wenn der Unterschied im Kompetenzlevel zwischen Wissensträger und Wissensempfänger nicht zu gross sind.
Gerade den letzten Punkt erscheint mir besonders wichtig. Häufig erliegen wir der Annahme das nur der beste Experte als Wissensvermittler dienen sollte.
Der beste Experte bzw. Meister seines Faches arbeitet oft intuitiv und hat Schwierigkeiten zu erklären, warum er es gerade so macht und nicht anders.
Auf der anderen Seite braucht der Anfänger einen Grundlagenkurs in dem ihm Kochrezepte, Regeln, Anleitungen vermittelt werden.
Wenn diese Grundlagen einmal verstanden wurden, erfolgt der qualitativ hochwertigste Knowhow-Transfer nach wie vor beim gemeinsamen Arbeiten an Problemstellungen.
Fazit – Best of Wissensmanagement
Wissen ist das wichtigste Fundament für den langfristigen Erfolg innovativer Unternehmen. „Wissensmanagement ist tot“, diese Feststellung ist richtig, wenn damit der Versuch gemeint ist Wissen zu explizieren und konservieren.
Die Aussage ist hingegen falsch, wenn es darum geht Wissen immer wieder von neuem im Kopf des Empfängers entstehen zu lassen. Dies gelingt je nach Kompetenzlevel am besten durch gemeinsames Problemlösen mit erfahrenen Kolleginnen.
Dr. Patrick Fritz
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