Das Wertschätzung und Konfrontation keine Gegensätze sein müssen, zeigt Herbert Salzmann mit seinem Führungskonzept „Wertschätzende Konfrontation“. Mit diesem Beitrag möchte ich euch einen Einblick geben.
Inhalt
Definition Wertschätzung
Salzmann folgend geht es bei der Wertschätzung darum einen bestimmten Wert in einem Menschen zu heben. Indem man diesen Wert ins Bewusstsein hebt, kann man etwas Wertvolles sehen, was andere nicht können.
Wie schwer das sein kann, wusste bereits Goethe: „Von der Kraft, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich der sich überwindet“. Wertschätzung hat also viel mit Überwindung zu tun, insbesondere wenn mir mein Gegenüber alles andere wie sympathisch ist.
Stufen der Wertschätzung
Wertschätzung ist kein absoluter Wert wie 0 und 1, sondern verläuft entlang eines Kontinuums. Salzmann definiert drei Stunden der Wertschätzung:
- Sympathie: Wenn mir mein Gegenüber sympathisch ist, fällt es leicht in ihm/ihr etwas Wertvolles zu sehen, weil wir die Welt ähnlich erleben.
- Funktionale Wertschätzung: Dabei schätze ich jemanden für seine Rolle oder Funktion. Er ist vielleicht ein schräger Vogel, mit dem ich privat kein Bier trinken gehen würde, aber ich schätze ihn für seine Leistungen im Beruf. Man könnte auch von Respekt sprechen, z.B. Respekt vor dem Alter.
- Schätzen der Person: Jetzt wird es heikel. Ich begebe mich auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber und weiß ihn als Person zu schätzen. Wenn etwas immer einen Wert hat (egal ob beschädigt oder krank oder sonst was), so Kant, hat es eine Würde. Jeder Mensch ist deshalb wertvoll, weil er ein Mensch ist.
Aus den Stufen der Wertschätzung ergibt sich die Frage, wie achtet man die Würde des Menschen in der Arbeit?
Wie kann Wertschätzung gelingen?
Um diesen Wert im anderen zu erkennen schlägt Salzmann verschiedene Techniken vor, die allesamt Anleitung und Übung benötigen. Eine Übung, die mir besonders gut gefallen hat, trägt den Namen die „Kehrseite der Medaille“. Ihr liegt dieselbe Erkenntnis zugrunde wie dem Wertequadrat nach Paul Helwig.
Zu jeder menschlichen Qualität (z.B. Sparsamkeit) gibt es eine notwendige Gegenqualität oder Schwester-Tugend gibt (z.B. Großzügigkeit). Die Leitfrage lautet, welches Licht wirft diesen Schatten? Zum Beispiel könnte der Wert, das Licht, die Stärke hinter Arroganz, ein besonders hoher Anspruch an sich selbst sein.
Gerade bei Menschen, die man nicht mag, ist diese Gegenqualität oder Schwester-Tugend besonders schwer zu erkennen. Dazu braucht zum einen Überwindung. Zum anderen eine auf den betreffenden Menschen gerichtete und verstärkte Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist die Grundkraft der Wertschätzung, so Salzmann.
Das Führungsdilemma
Führungskräfte haben nun eine besondere Zwickmühle zu lösen. Auf der einen Seite müssen Führungskräfte sich auf den Menschen konzentrieren. Getreu dem Motto, man muss Menschen mögen, gilt es ein motivierendes Klima durch Wertschätzung zu schaffen. Auf der anderen Seite müsse sich Führungskräfte aber auch auf Aufgaben konzentrieren die zu erledigen sind.
Damit diese Aufgaben in der notwendigen Qualität und Effizienz erledigt werden, braucht es Differenz, Spannung und Dynamik. Diese Differenz entsteht durch Konfrontation. Wie Popper bereits bemerkte: „Jegliche Errungenschaft ist auf Konfrontation zurück zu führen„. Für Führungskräfte ist die notwendige Schwester-Tugend zur Wertschätzung, die Konfrontation.
Salzmann trifft dabei eine für mich besonders wichtige Unterscheidung. Wer sich ausschließlich auf die Aufgabenseite fokussiert, wird leicht rücksichtslos und egoistisch. Er läuft Gefahr als Täter Begehungssünden einzusammeln.
Wer sich ausschließlich auf den Menschen fokussiert, wird leicht inkonsequent und nicht ernst genommen. Die Folge sind Unterlassungssünden. Beides ist sehr wahrscheinlich gleich schlimm, siehe dazu auch Hersey und Blanchard.
Wertschätzende Konfrontation
Um Wertschätzung und Konfrontation in der Führungsarbeit auf einen Nenner zu bringen unterscheidet Salzmann zwischen Aufgabenebene und Beziehungsebene. Ähnlich dem Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun, das auch Nachrichtenquadrat oder Vierseitenmodell genannt wird. Oder den 5 Axiomen der Kommunikation nach Paul Watzlawick.
Mit Aufgabenebene sind sachbezogene Aspekte einer jeden Beziehung gemeint. An dieser Stelle geht es nicht um Objektivität, sondern um die subjektiven Erlebnisse. Mit Beziehungsebene ist die Wertschätzung der jeweils anderen Person gemeint. In diesem Fall ist konkret die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gemeint. Salzmanns Überlegungen folgend, gilt folgende Grundaussage:
Klar, bestimmt und konsequent in der AUFGABE und zugleich respektvoll und wertschätzend in der BEZIEHUNG.
Aus dieser Formel ergeben sich zweierlei Konsequenzen. Erstens, was die Aufgabe betrifft, ist es Pflicht der Führungskraft die Dinge klar, bestimmt und konsequent anzusprechen. Vor allem negative Aspekte, z.B. die Leistung des Mitarbeiters, können so offen angesprochen werden. Zweitens darf es auf der Beziehungsebene zu keiner Abwertung kommen. Ein respektvoller, wertschätzender Umgang mit der Person ist unumgänglich.
Ablauf eines Führungsgesprächs
Wie sieht nun ein konkretes Führungsgespräch aus, dass die Beziehung wertschätzt und gleichzeitig in der Sache konfrontiert?
1. Etwas für die Beziehung tun
Am Anfang steht die Wertschätzung auf der Beziehungsebene im Vordergrund. Dazu ist es wichtig einen ruhigen Raum und eine passende Zeit zu wählen. Indem die Führungskraft dem Mitarbeiter seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, kann der Kontakt hergestellt werden. Als Faustregel bleibt zu erwähnen: Je stärker das Problem oder der Konflikt, desto schneller zur Sache kommen. Sonst kommt es allzu gespielt rüber.
2. Das Problem bewusst machen
Wenn die Basis auf der Beziehungsebene gelegt ist, kann die Konfrontation auf der Aufgabenebene stattfinden. Dazu gilt es die Situation bzw. das Problem aus eigener Sichtweise konkret zu beschreiben (Fakten) und die möglichen Auswirkungen bzw. Konsequenzen deutlich zu machen. Eventuell gibt es auch mehrere konkrete Wahrnehmungen, um das Problem nachvollziehbar zu machen.
Anschließend wir nach dem Problem aus der Sicht des anderen bzw. des Mitarbeiters gefragt. Hierzu ist es wichtig offene Fragen zu formulieren, z.B. wie siehst du die Situation? Zudem gibt es (Ausnahme-)Situation in denen es nicht passt nach dem Standpunkt des anderen zu fragen. Auch dann wäre es nur gekünstelt, indem man eine Aussage in einer Frage versteckt.
3. Eine Lösung entwickeln
Hier geht es darum miteinander in einen Dialog zu kommen, mit dem Ziel eine Lösung zu entwickeln. Die Lösung sollte den Interessen beider Gesprächspartner entsprechen. Auch hier wieder die Ausnahme von gerade eben, manchmal muss es ausreichend sein nur eine Seite zu berücksichtigen. Manche Dinge sind einfach zu tun, da gibt es keine Diskussion.
4. Klare Vereinbarung
Abschließend geht es darum klare Vereinbarungen zu treffen. Wer mach was bis wann? In welche Qualität? In welcher Menge? Optional kann es Sinn machen direkt einen Auswertungstermin zu vereinbaren, um zu prüfen, wie weit man gekommen ist. Nicht zu vergessen, in gewissen Situationen kann es auch sinnvoll sein über Konsequenzen bei Nichterfüllung vorab zu sprechen.
Fazit – Wertschätzung und Konfrontation
Wertschätzung und Konfrontation zusammen zu bringen erscheint mir einleuchtend und hilfreich in der Praxis. Die praktische Umsetzung stellt jedoch einige Herausforderungen an Führungskraft und Mitarbeiter. Häufig kommt es zu einer Vermischung der Aufgaben- und Beziehungsebene. Das macht es schwer bestimmte Dinge, wie beispielsweise die Leistung eines Mitarbeiters, klar und deutlich anzusprechen (Konfrontation). Auf der anderen Seite passiert es allzu leicht, dass die Achtung gegenüber der Person flöten geht und eine Abwertung passiert (Wertschätzung). Eine konsequente Beachtung von Aufgaben- und Beziehungsebene, sowie eine stimmige Mischung aus Konfrontation und Wertschätzung, kann dazu beitragen so manchen Konflikt schnell zu lösen.
Dr. Patrick Fritz
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