Wertschätzung und Konfrontation sind keine Gegensätze, wie Herbert Salzmann mit seinem Führungskonzept „Wertschätzende Konfrontation“ eindrucksvoll beweist. Mit diesem FRITZ Tipp gebe ich euch Einblick in seine Gedanken und zeige wie Führungsgespräche auf Basis von Wertschätzung und Konfrontation besser gelingen.
Inhalt
Was ist Wertschätzung?
Salzmann folgend geht es bei Wertschätzung darum einen bestimmten Wert in einem Menschen zu heben. Indem man diesen Wert ins Bewusstsein hebt, kann man etwas Wertvolles sehen, was andere nicht können.
Quelle: Persönliche Mitschrift bei einem Workshop mit Herbert Salzmann, 2022
Wie schwer das sein kann, wusste bereits Goethe: „Von der Kraft, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich der sich überwindet.“ Wertschätzung hat also viel mit Überwindung zu tun, insbesondere wenn mir mein Gegenüber alles andere wie sympathisch ist.

Stufen der Wertschätzung
Wertschätzung ist kein absoluter Wert wie 0 und 1, sondern verläuft entlang eines Kontinuums. Salzmann definiert drei Stufen der Wertschätzung:
- Sympathie: Wenn mir mein Gegenüber sympathisch ist, fällt es leicht in ihm etwas Wertvolles zu sehen, weil wir die Welt ähnlich erleben. Diese seelische Verwandtschaft kann ausgrenzend wirken und ist deshalb nur begrenzt hilfreich.
- Funktionale Wertschätzung: Dabei schätze ich mein Gegenüber für seine Rolle oder Funktion. Er ist vielleicht ein schräger Vogel, mit dem ich privat kein Bier trinken gehen würde, aber ich schätze ihn für seine Stärken und Leistungen im Beruf. Man könnte auch von Respekt sprechen, z.B. Respekt vor dem Status meines Vorgesetzten.
- Schätzen der Person: Jetzt wird es heikel. Ich begebe mich auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber und weiß ihn als Person zu schätzen, auch wenn Verhalten und Leistung nicht meiner Erwartung entspricht. Wenn etwas immer einen Wert hat, egal ob beschädigt oder krank, so Kant, hat es eine Würde. Jeder Mensch ist deshalb wertvoll, weil er ein Mensch ist.
Aus den Stufen der Wertschätzung ergibt sich die Frage, wie achtet man die Würde des Menschen in der Arbeit. Dazu braucht es nämlich mehr als funktionale Wertschätzung (Stufe 2) oder bloße Sympathie (Stufe 1).
Wie gelingt Wertschätzung?
Um Wert im anderen zu erkennen, schlägt Salzmann verschiedene Techniken vor, die allesamt Anleitung und Übung benötigen. Eine Übung, die mir besonders gut gefallen hat, trägt den Namen die „Kehrseite der Medaille“. Ihr liegt dieselbe Erkenntnis zugrunde wie dem Wertequadrat nach Paul Helwig bzw. Nicolai Hartmann.
Zu jeder menschlichen Qualität (z.B. Sparsamkeit) gibt es eine notwendige Gegenqualität oder Schwester-Tugend gibt (z.B. Großzügigkeit). Die Leitfrage lautet, welches Licht wirft diesen Schatten? Zum Beispiel könnte der Wert hinter Arroganz, ein besonders hoher Anspruch an sich selbst sein.




Gerade bei Menschen, die man nicht mag, ist diese Gegenqualität oder Schwester-Tugend besonders schwer zu erkennen. Dazu braucht es zum einen Überwindung. Zum anderen eine auf den betreffenden Menschen gerichtete und verstärkte Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist die Grundkraft der Wertschätzung, so Salzmann.
Das Führungsdilemma
Führungskräfte haben nun eine besondere Zwickmühle zu lösen. Auf der einen Seite müssen Führungskräfte sich auf den Menschen konzentrieren. Getreu dem Motto, man muss Menschen mögen, gilt es ein motivierendes Klima durch Wertschätzung zu schaffen. Auf der anderen Seite müsse sich Führungskräfte aber auch auf Aufgaben konzentrieren die zu erledigen sind.
Damit diese Aufgaben in der notwendigen Qualität und Effizienz erledigt werden, braucht es Differenz, Spannung und Dynamik. Diese Differenz entsteht durch Konfrontation. Wie Popper bereits bemerkte (siehe Video), jegliche Errungenschaft ist auf Konfrontation zurückzuführen. Für Führungskräfte ist die notwendige Schwester-Tugend zur Wertschätzung, die Konfrontation.
Salzmann trifft dabei eine für mich besonders wichtige Unterscheidung. Wer sich ausschließlich auf die Aufgabenseite fokussiert, wird leicht rücksichtslos und egoistisch (ICH-Orientierung). Er läuft Gefahr als Täter Begehungssünden einzusammeln.
Wer sich ausschließlich auf den Menschen fokussiert, wird leicht inkonsequent und nicht ernst genommen (DU-Orientierung). Die Folge sind Unterlassungssünden. Beides ist sehr wahrscheinlich gleich schlimm, siehe dazu auch Hersey und Blanchard aufbauend auf der Ohio-Studie.
Wertschätzende Konfrontation
Um Wertschätzung und Konfrontation in der Führungsarbeit auf einen Nenner zu bringen, unterscheidet Salzmann zwischen Aufgabenebene und Beziehungsebene. Ähnlich dem Vierseitenmodell nach Schulz von Thun oder dem 2. Axiomen der Kommunikation nach Paul Watzlawick: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt.“
Mit Aufgabenebene sind sachbezogene Aspekte einer jeden Beziehung gemeint. An dieser Stelle geht es nicht um Objektivität, sondern um die subjektiven Erlebnisse. Mit Beziehungsebene ist die Wertschätzung der jeweils anderen Person gemeint. In diesem Fall ist konkret die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gemeint. Salzmanns Überlegungen folgend, gilt folgende Grundaussage:
Quelle: Persönliche Mitschrift bei einem Workshop mit Herbert Salzmann, 2022
Aus dieser Formel ergeben sich zweierlei Konsequenzen. Erstens, was die Aufgabe betrifft, ist es Pflicht der Führungskraft die Dinge klar, bestimmt und konsequent anzusprechen. Vor allem negative Aspekte, z.B. die Leistung des Mitarbeiters. Zweitens darf es auf der Beziehungsebene zu keiner Abwertung kommen. Ein respektvoller, wertschätzender Umgang mit der Person ist unumgänglich.




Warum es sowohl Wertschätzung als auch Konfrontation braucht, lässt sich auch mit den Bedürfnissen des Menschen erklären. Konfrontation auf der Aufgabeneben dient der Suche nach der Wahrheit. Der wertschätzende Umgang auf der Beziehungseben befriedigt den Wunsch nach Liebe. „Die Achtung vor dem Feind, macht dich stark“, frei nach Salzmann.
Ablauf eines Führungsgesprächs
Wie sieht nun ein konkretes Führungsgespräch aus, dass die Beziehung wertschätzt und gleichzeitig in der Sache konfrontiert?
1. Etwas für die Beziehung tun
Am Anfang steht die Wertschätzung auf der Beziehungsebene im Vordergrund. Dazu ist es wichtig einen ruhigen Raum und eine passende Zeit zu wählen. Indem die Führungskraft dem Mitarbeiter seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, kann der Kontakt hergestellt werden. Als Faustregel bleibt zu erwähnen: Je stärker das Problem oder der Konflikt, desto schneller zur Sache kommen. Sonst kommt es allzu gespielt rüber.
2. Das Problem bewusst machen
Wenn die Basis auf der Beziehungsebene gelegt ist, kann die Konfrontation auf der Aufgabenebene stattfinden. Dazu gilt es die Situation bzw. das Problem aus eigener Sichtweise konkret zu beschreiben (Fakten) und die möglichen Auswirkungen bzw. Konsequenzen deutlich zu machen. Eventuell gibt es auch mehrere konkrete Wahrnehmungen, um das Problem nachvollziehbar zu machen.
Anschließend wir nach dem Problem aus der Sicht des anderen bzw. des Mitarbeiters gefragt. Hierzu ist es wichtig offene Fragen zu formulieren, z.B. wie siehst du die Situation? Zudem gibt es (Ausnahme-)Situation in denen es nicht passt nach dem Standpunkt des anderen zu fragen. Auch dann wäre es nur gekünstelt, indem man eine Aussage in einer Frage versteckt.
3. Eine Lösung entwickeln
Hier geht es darum miteinander in einen Dialog zu kommen, mit dem Ziel eine Lösung zu entwickeln. Die Lösung sollte den Interessen beider Gesprächspartner entsprechen. Auch hier wieder die Ausnahme von gerade eben, manchmal muss es ausreichend sein nur eine Seite zu berücksichtigen. Manche Dinge sind einfach zu tun, da gibt es keine Diskussion.
4. Klare Vereinbarung
Abschließend geht es darum klare Vereinbarungen zu treffen. Wer mach was bis wann? In welche Qualität? In welcher Menge? Optional kann es Sinn machen direkt einen Auswertungstermin zu vereinbaren, um zu prüfen, wie weit man gekommen ist. Nicht zu vergessen, in gewissen Situationen kann es auch sinnvoll sein über Konsequenzen bei Nichterfüllung vorab zu sprechen.
Fazit – Wertschätzung und Konfrontation
Wertschätzung und Konfrontation zusammen zu bringen, erscheint mir einleuchtend und hilfreich in der Praxis. Die praktische Umsetzung stellt jedoch einige Herausforderungen an Führungskraft und Mitarbeiter. Häufig kommt es zu einer Vermischung der Aufgaben- und Beziehungsebene. Das macht es schwer bestimmte Dinge, wie beispielsweise die Leistung eines Mitarbeiters, klar und deutlich anzusprechen.
Auf der anderen Seite passiert es allzu leicht, dass die Achtung gegenüber der Person flöten geht und eine Abwertung passiert. Eine konsequente Beachtung von Aufgaben- und Beziehungsebene, sowie eine stimmige Mischung aus Konfrontation und Wertschätzung, kann dazu beitragen so manchen Konflikt schnell zu lösen.
Dr. Patrick Fritz
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