Gastbeitrag von Manfred Zumtobel mit dem Ziel Viktor Frankl und dem Sinn des Lebens näher zu kommen. Wir schreiben das Jahr 1983. Im Auftrag des Landes Vorarlberg und der Wirtschaftskammer „animiere“ ich Vorarlberger Klein- und Mittelbetriebe zur Innovation und begleite sie bei solchen Projekten. Mein Auftrag ist klar: „Mehr Forschung und Entwicklung in Vorarlbergs Wirtschaft!“.
Wir haben einen Lauf
Ich bin begeistert von meinem Auftrag und schlage landauf landab auf die Werbetrommel. Mit meiner überzeugend vorgetragenen Botschaft, „seid innovativ, versucht neue Wege, wagt Euch heraus aus der Deckung“, gewinne ich eine Reihe von Unternehmern. Es entstehen großartige Projekte zur Entwicklung neuer Technologien und Produkte und zur Erschließung neuer Märkte.
„Wir haben einen Lauf“ – wie man so schön sagt. Ich habe mein großes berufliches Ziel erreicht: Emanzipatorische Beratung und Begleitung von Unternehmen bei spannenden Innovationsprojekten.
„Der Führungskreis IT ist ein tolles Format, der Umgang äußerst offen und kollegial – etwas Besonderes. Die regelmäßigen Treffen mit sehr guten Impulsvorträgen zu den Fallbeispielen sind ein willkommener Blick über den Tellerrand. Dabei kommt der persönliche Austausch untereinander nie zu kurz und es bietet sich die Möglichkeit für eine branchenfremde Sichtweise des Themas.“
Erstens kommt es, zweitens anders als man denkt!
Doch eines Tages trifft mich die uralte Wahrheit, an die man nie glaubt, „Erstens kommt es, zweitens anders als man denkt!“, wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel. Zwei wichtige Projekte „floppen“ komplett.
Ein Exportprojekt in der Holzbringung, in das mein Kunde sehr viel Geld investiert hat, muss beendet werden, da die Nachfrage im betroffenen Marktsegment aufgrund einer Rezession auf null sinkt. Das Unternehmen bleibt auf seinen Investitionen sitzen und kann nur mit Mühe den Konkurs abwenden.
Ein anderes, kleines Unternehmen im Installationsbereich entwickelt eine neue Technologie zur Energieeinsparung und meldet sie zum Patent an. Ein großer Konzern verletzt bewusst das Patent und baut die Technologie in seine Geräte ein. Der beginnende Patentstreit wird zehn Jahre dauern.
Ich werde sehr nachdenklich: „Wenn meine Arbeit für die Kunden solche Risiken mit sich bringt, kann ich die Verantwortung nicht übernehmen. Die Projekte verlieren den Sinn“. In dieser kritischen, von Selbstzweifel geprägten beruflichen Phase treffe ich eine wichtige Entscheidung: „Ich liebe meine Arbeit und setze sie fort. Aber nicht aus dem „gemachten Bett“ der Wirtschaftskammer heraus, sondern selbständig, also mit eigenem Risiko“. 1985 werde ich diesen Schritt vollziehen.
Mich plagt aber auch noch ein anderer Gedanke: „Wie kann durch meine Beratung und Begleitung für die Kunden – und damit auch für mich – wieder Sinn entstehen?“
Auf meiner Suche nach Hilfe stoße ich auf Viktor Frankl
Frankl ist ein Schüler und Wegbegleiter von Siegmund Freud und Alfred Adler. Er lebt 1905 bis 1997. Die Zeit von 1942 bis 1945 verbringt Frankl in insgesamt vier Konzentrationslagern. Trotz des großen Leides in diesen Jahren entwickelt er die Logotherapie und Existenzanalyse. Die Existenzanalyse ist ein sinnzentriertes Grundkonzept des Menschen und seiner Entwicklung. Die Logotherapie ist die dazugehörige Therapie.
Logotherapie und Existenzanalyse beschreibt den Mensch in all seinen Aspekten: Körper, Seele und Geist. Ich beginne 1983 mit der Ausbildung zum existenzanalytischen Berater und schließe diese 1985 ab. Der Schritt in die Selbständigkeit ist die logische Konsequenz daraus.
Bei Frankl fasziniert mich vor allem seine existenzielle Werttheorie. Sie liefert die Antwort auf die Frage, die für mich aufgrund meiner Erfahrungen so wichtig ist: „Was ist der Sinn meines Tuns und wie entsteht er?“
„Der Führungskreis Qualitätsmanagement ist eine sehr gute Plattform, um mit Fachkollegen aus anderen Unternehmen und auch Bereichen die aktuellen Herausforderungen und Fragestellungen zu diskutieren. Durch die breite Erfahrung aller Führungskreisteilnehmer bekomme ich immer wieder neue Ansätze, aber auch andere Blickwinkel zu den Themen in unserem Arbeitsfeld. Vor allem die hervorragende Organisation, der gesamte Rahmen und der Input der von Patrick organisierten Fachexperten macht den Führungskreis zu einer gelungenen und bereichernden Veranstaltung für meine Tätigkeit.“
Die Kerninhalte der Frankl´schen Wert-Theorie lassen mich nicht mehr los
Ein existenziell verstandener Wert…
- ist immer der Grund für eine Bevorzugung (ich mache das und nicht etwas anderes).
- ist immer ein Handlungsgrund, ein Motivationsfaktor.
- bezieht sich immer auf das Hier und Jetzt.
- ist etwas, das mich angeht, das mich berührt.
Existenziell „stimmige“ Werterlebnisse sind nur in der Auseinandersetzung mit einem DU möglich. Das DU kann dabei ein anderer Mensch, eine bestimmte Situation, ein Erlebnis, eine Sache oder die Natur sein.
Viktor Frankl unterscheidet folgende existenzielle Werte:
- Erlebniswerte: Sie entstehen als persönliche Bereicherung aus dem Erleben einer Situation wie z.B. ein gutes Gespräch, die Wertschätzung einer Person, ein Erlebnis in der Natur.
- Schöpferische Werte: Sie entstehen als persönliche Bereicherung durch ein gelungenes Ergebnis wie z.B. eine erfolgreiche Aktion, ein gelungenes Werk, ein vollendetes Projekt.
- Einstellungswerte: Sie entstehen als persönliche Einsicht aus dem Erleben einer schwierigen Zeit wie z.B. Misserfolg im Beruf, Verlust eines Menschen, Erleiden eines schweren Schicksalsschlages.
Die wichtigste Erkenntnis von Viktor Frankl
Durch das Leben oder Erleben von Werten entsteht SINN im Leben. Logotherapie und Existenzanalyse gehen deshalb davon aus, dass jeder Mensch Werte leben oder erleben will.Am Ende meiner Ausbildung und am Beginn meiner Selbständigkeit steht meine Schlussfolgerung fest: Ich werde zukünftig jedem Kunden die Frage stellen: „Welche existenziellen Werte willst Du mit diesem Projekt erleben oder selbst leben? Die Antwort auf diese Frage führt uns zum Sinn des Projekts. Und damit kehrt auch der Sinn meiner Arbeit wieder ein.
Heute schreiben wir 2020. Es sind 35 Jahre berufliche Arbeit ins Land gezogen. Meine Projekte sind nach wie vor innovativ, sehr spannend und manchmal auch riskant. Ich kläre mit meinem Kunden inzwischen zuerst immer die Frage: „Durch welche Werterlebnisse schaffen wir es, dass mit dem Projekt für die Beteiligten Sinn entsteht?“. Wenn das klar ist, beginnen wir mit der Arbeit.
Manfred Zumtobel
existenzanalytischer Berater und Coach
Weitere FRITZ Tipps von und mit Manfred Zumtobel:
- Persönliche Souveränität nach Manfred Zumtobel
- Unternehmensidentität nach Manfred Zumtobel
- Kommunikationstreppe nach Manfred Zumtobel
Literaturempfehlung zu Viktor Frankl:
- Viktor E. Frankl – Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn
- Viktor E. Frankl – …trotzdem ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
- Viktor E. Frankl – Der Wille zum Sinn
- Sieglinde Scharnowske – Freiheit und Verantwortung im Management
- Christoph Riedel – Existenzanalyse und Logotherapie
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