Was können Unternehmen von Orchestern lernen? Anlässlich einer Orchesterprobe des Symphonieorchesters Vorarlberg unter Leitung von Chefdirigent Gérard Korsten, konnten Sparringspartner von FRITZ Führungskreise dieser Frage nachgehen:
Einige Erkenntnisse zum Transfer vom Orchester ins Unternehmen haben wir auf Basis des Buches „Vom Solo zur Sinfonie“ zusammengefasst, immer mit einer anschließenden Reflexionsfrage für deine Führungsarbeit:
Inhalt
Nachwuchsförderung
Musiker, die Fachexperten eines Orchesters, müssen sich von Beginn an immer wieder kritischem Publikum stellen und ihre fachlichen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Welche Möglichkeiten schaffst du für junge Talente, um vor kritischem Publikum zu bestehen?
Bereichsübergreifende Abstimmung
Ein lokales Optimum kann zu Dissonanz führen, die selbst von ungeübten Zuhörern registriert wird. Deshalb wird immer wieder im gesamten Orchester gemeinsam geprobt, um aus der vorhandenen Vielfalt eine Einheit zu bauen. Wie stellst du die notwendige Abstimmung mit anderen Abteilungen sicher? Wann probst du mit anderen Abteilungen?
Umgang mit Konflikten
In Orchestern müssen Top-Experten auf engstem Raum miteinander arbeiten und vor Publikum
funktionieren, z.B. müssen sich zwei Streicher immer ein gemeinsames Pult teilen (Pultnachbarn). Spannungen stehen deshalb an der Tagesordnung, werden aber offen und direkt ausgetragen. Wie gehst du mit Konflikten und Antipathien im Team um?
Leistungskultur
Ein Dirigent muss üblicherweise innerhalb von sechs zweieinhalbstündigen Proben plus Generalprobe sein künstlerisches Konzept erarbeiten. Dabei geht das Leistungsprinzip ganz klar vor dem Konsensprinzip. Die Aussage “Wir haben es aber immer schon so gemacht”, hat in diesem Umfeld keinen Platz. Wie forderst du in deinem Bereich Leistung ein? Wie gehst du mit Widerständen um, wenn Leistung verweigert wird?
Rolle der Führungskraft
Der Dirigent hat die Aufgabe, das große Ganze vorzugeben. Also die Vision des Werks, die er
sich erarbeitet hat. Dabei gilt es, alle Mitarbeiter auf dieses eine Ziel auszurichten. Was ist deine Rolle als Führungskraft im Unternehmen? Bist du noch Musiker oder schon Dirigent?
Pausen zur Reflexion und Inspiration
Das Wichtigste in der Musik sind die Pausen. Erst die Momente des Ausatmens und des Innehaltens ermöglichen es, dass sich die Struktur und der Inhalt eines Musikstücks dem Hörer erschließen. Dirigenten holen sich Ideen abseits der Arbeit bzw. im stetigen Wechsel zwischen konsequentem Arbeiten und Auszeiten. Wann legst du Pausen zur Reflexion ein? Wann und wo holst du dir deine Inspirationen ab?
Einzelkämpfer
Das Orchester lebt vom orchestralen Klang und von individuellen Solostimmen. Das führt zu Wechselwirkung und Dramaturgie. Dazu gibt der Dirigent den Solisten bis zu einem gewissen Grad Freiraum. Wie gehst du mit Einzelkämpfern um? Inwieweit gehst du auf sie ein und gibst ihnen Freiräume?
Führungstyp
Auch bei Dirigenten gibt es verschiedene Persönlichkeitstypen:
- Virtuose: Fordert absolute Perfektion von den Führungskräften seines Orchesters. Ein Kontrollfreak mit fachlich höchster Kompetenz, der nichts dem Zufall überlässt.
- Undeutlicher: Möchte Eigeninitiative des Teams fördern.
- Selbstdarsteller: Zieht eine Show ab und macht, dass aus Zuhörern Zuseher werden.
- Probenfanatiker: Verausgabt sich stets ohne Rücksicht auf seinen Körper und Bedürfnisse des Orchesters.
- Probenmuffel: Entspannte Arbeitsweise, kurze Proben, lange Pausen. Funktioniert nur, wenn sich der Dirigent im Ernstfall auf sein Orchester verlassen kann.
- Charismatiker: Ohne Pomp, ohne Zwang irgendetwas beweisen zu müssen. Geprägt von Würde, Gelassenheit, Konzentration aufs Wesentliche und Ehrlichkeit.
Fazit – Was können Unternehmen von Orchestern lernen?
Vielleicht lässt sich die Quintessenz in zwei kurzen Sätzen zusammenfassen: Orientierung und Richtung vorgeben und dabei nie den Faden zu den Mitarbeitern verlieren. Stets in Verbindung bleiben, erklären, vorleben und ein offenes Ohr für die feinen Zwischentöne behalten.
Dr. Patrick Fritz
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