Was ist Führung? Sowohl Fachkräfte als auch Führungskräfte sollten sich mit dieser Frage genau auseinandersetzen. Entweder steht der Wechsel von der Fach- zur Führungskraft an. Oder weil man eine bessere Führungskraft werden möchte. In diesem FRITZ Tipp bekommst du fundierte Antworten.
Inhalt
Was ist Führung?
Die Fachliteratur liefert verschiedene Definitionen für das Phänomen Führung. Über essenzielle Punkte konnte in den letzten Jahrzehnten Konsens gebildet werden. Nach Prof. Dr. Dr. Lutz von Rosenstiel (1938-2013), Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität München, wird die Frage was bedeutet Führung, wie folgt beantwortet:
Führung ist die unmittelbare, absichtliche und zielbezogene Einflussnahme durch InhaberInnen von Vorgesetztenpositionen auf Unterstellte mit Hilfe der Kommunikationsmittel.
In einer späteren Definition von Führung ist für mich ein wichtiger Aspekt dazu gekommen. Führung ist zielbezogene Einflussnahme, einerseits durch Personen, andererseits durch Strukturen.
Quelle: Rosenstiel, Molt & Rüttinger (1988) und Rosenstiel, Regnet & Domsch (2020)
Führung bedeutet für mich die bewusste Einflussnahme von Führungskräften auf Mitarbeiter, um definierte Ziele zu erreichen. Das heißt, die Führungskraft hat die Aufgabe das Verhalten andere Personen zu beeinflussen oder verändern.

Wie Kerr und Jermier jedoch bereits 1978 zu Recht beanstanden, wird das Verhalten vieler Stelleninhaber in Organisation zielbezogen beeinflusst, ohne das unmittelbar irgendeine Person Einfluss ausübt, z.B. durch Organigramme, Stellenbeschreibungen, Verfahrensvorschriften, Anreizsysteme und Statussymbole. Je stärker die Führung durch Strukturen, desto weniger muss die Führungskraft eingreifen – wie bereits Charly Chaplin wusste:
Die wichtigsten Aspekte im Führungsgeschehen sind nach Rosenstiel die Person des Führenden (Führungseigenschaften), das Führungsverhalten, die Führungssituation und die Reaktion der Mitarbeiter. Der Führungserfolg wird an Mitarbeiterzufriedenheit (job satisfaction) und Leistungsbereitschaft (job performance) gemessen.
Welche Eigenschaften muss eine Führungskraft haben?
Die Eigenschaftstheorie der Führung geht davon aus, dass bestimmte Eigenschaften der Person den Führungserfolg bedingen. Einfach erklärt, eine starke Persönlichkeit setzt sich überall durch. Basierend auf einer Vielzahl empirischer Analysen, lassen sich die gefundenen Führungseigenschaften wie folgt zusammenfassen:
- Befähigung
- Leistung
- Verantwortlichkeit
- Teilnahme
- Status
Roth stellt in diesem Zusammenhang fest, der Intelligenzquotient sagt besser als jeder andere Faktor den Bildungs- und Berufserfolg aus. Rosenstiel erklärt jedoch treffend, es kommt weniger auf die absolute Höhe der Intelligenz an als auf die relative Intelligenz in Bezug auf die Geführten. Der Topf muss zum Deckel passen. Supermann ist nicht die beste Lösung:




Welche Eigenschaften muss eine Führungskraft haben? Intelligenz, soziale Kompetenz, hohe Zielbindung, offen für neue Erfahrungen sein in Kombination mit ausgeprägter Lernfähigkeit sind hilfreiche Eigenschaften für Führungskräfte, so Rosenstiel. Weitere Anregungen findest du in den FRITZ Tipps „Transaktionale Führung vs Transformationale Führung“ und „Persönlichkeitsentwicklung nach Jane Loevinger„.
Führung von Mitarbeitern (Führungsverhalten)
Nicht nur die Eigenschaftstheorie der Führung, auch die Führungsstilforschung geht davon aus, dass relativ konstante Eigenschaften der Führungskraft den Führungserfolg bedingen. Allerdings fokussiert dieser Zweig der Führungsforschung nicht auf die Eigenschaften des Führenden, sondern dessen Führungsverhalten. Berühmt sind in diesem Zusammenhang die Führungsstile nach Kurt Lewin.
Näher an der Praxis als die Führungsstilforschung ist der Versuch, beobachtbares Führungsverhalten zu beschreiben, messen und analysieren. Im Rahmen der Ohio-Studie (Fleischmann 1973) konnten im Kern zwei unterschiedliche Dimensionen des Führungsverhalten voneinander unterschieden werden: Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung:
Bei der Führung von Mitarbeitern geht es nicht um Mitarbeiterorientierung oder Aufgabenorientierung, sondern um ein sowohl als auch. Sowohl die Zielerreichung, als auch der Zusammenhalt in der Gruppe, muss gegeben sein – wie spätere Arbeiten von Watzlawick, Hersey und Blanchard, Schulz von Thun und Salzmann unterstreichen.
Auch wenn es nach Rosenstiel nicht die optimalen Führungseigenschaften, den besten Führungsstil oder das ideale Führungsverhalten gibt, so lassen sich nach meiner Erfahrung in der Praxis dennoch vier Fähigkeiten (Führungskompetenzen) beschreiben, damit Führungskräfte zielbezogen Einfluss auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter nehmen können:
Führungskompetenz 1: Vorbild sein
Wenn die Führungskraft als Vorbild vorangeht und Lust an der gemeinsamen Arbeit zeigt, wird das Einfluss auf das Verhalten des Mitarbeiters und seine Selbstwirksamkeitserwartung haben. Führungsverhalten beeinflusst Mitarbeiterverhalten.
Führungskompetenz 2: Einsicht schaffen
Die Führungskraft versucht durch das Gespräch Einsicht und Verständnis beim Mitarbeiter zu erzeugen. Auf übergeordneter Ebene kann es Einsicht in die geschäftlichen oder gesellschaftlichen Notwendigkeiten geben. Je nach Quelle, wird diesem Ansatzpunkt der größte aber auch der kleinste Nutzen zugeschrieben.
Führungskompetenz 3: Konsequenzen ziehen
Bereits Hobbes (1588-1679) wusste, bloße Worte können keine Furcht erzeugen. Hilft weder gut zureden noch vorbildliches Verhalten, braucht es Konsequenzen. Der Führungskraft werden entsprechende Instrumente an die Hand gegeben: Mitarbeiterbeurteilung, Zielvereinbarung (MbO), variable Vergütung.
Führungskompetenz 4: Rahmenbedingungen gestalten
Das Verhalten von Mitarbeitern wird zielbezogen beeinflusst, ohne dass eine Person Einfluss ausübt. Es sind Strukturen oder Rahmenbedingungen durch die gesteuert wird. Das folgende Video zeigt wunderbar, wie gewünschtes Verhalten durch Gestaltung der Rahmenbedingungen erreicht werden kann:
Jede Führungskraft ist sich hoffentlich bewusst wie schnell sich Mitarbeiterverhalten durch Eingriff ins Organigramm beeinflussen lässt. Prozesse, die bestenfalls noch durch IT-Systeme einbetoniert werden, können Verhalten ebenso gut ändern – zum Guten wie zum Schlechten. Mehr dazu im FRITZ Tipp „Verhaltensänderung durch Führung„.
Exkurs: Führung vs Management?
Mit klassischem Management sind im Wesentlichen betriebswirtschaftliche Aufgaben verbunden. Alles was man in einem normalen BWL-Studium lernt. Vom verhaltenswissenschaftlichen Teil hört man im Studium so gut wie nichts!
Natürlich gibt es Gegenstimmen. Nach Malik ist Führung die deutsche Übersetzung von Management. Für Merath ist ein Manager auch ein Leader. Trotz verschiedener Meinungen möchte ich es auf eine einfache Formel bringen, um den Unterschied zwischen Management und Führung zu verdeutlichen:
- Führung ist Verhaltensbeeinflussung von Menschen.
- Management ist Handhaben von Sachverhalten.
- Leadership ist das englische Wort für Führung.
Mehr dazu im FRITZ Tipp Führung vs Management vs Leadership.
Fazit – Führung nach Lutz von Rosenstiel
Führung ist zielbezogene Einflussnahme, einerseits durch Personen, andererseits durch Strukturen. Auch wenn es nicht die optimalen Führungseigenschaften, den besten Führungsstil oder das ideale Führungsverhalten gibt, so lassen sich dennoch vier Fähigkeiten (Führungskompetenzen) beschreiben, damit Führungskräfte zielbezogen Einfluss auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter nehmen können: Vorbild sein, Einsicht schaffen, Konsequenzen ziehen und Rahmenbedingungen gestalten.
Dr. Patrick Fritz
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