Frederick Winslow Taylor (1856-1915) hat 1911 mit The Principles of Scientific Management ein Weltbestseller veröffentlicht, der bis heute als Taylorismus nachwirkt. Warum Taylor heute zu Unrecht kritisiert wird, erkläre ich dir in diesem FRITZ Tipp.
Inhalt
Wer ist Frederick Winslow Taylor?
Taylor war Sohn einer reichen Quäker-Familie. 1874 begann er die Lehre zum Werkzeugmacher und trat 1878 bei Midvale Steel in den Dienst. Nach einer steilen Karriere wurde er 1884 zum leitenden Ingenieur.

Nachdem er 1893 Unternehmensberater wurde, gelang ihm bei der Simonds Rollig Machine Co. eine Verkürzung der Arbeitszeit von mehr als 20 %, bei gleichzeitig steigender Produktivität.
Ab 1898 führte er bei Bethlehem Steel umfangreiche Zeitstudien durch, die später besonders bekannt wurden. Von 1909 bis 1914 lehrte Taylor Scientific Management an der Harvard University.
Was ist Taylorismus?
Scientific Management, später Taylorismus, ist eine Managementmethode von Frederick Winslow Taylor, die darauf abzielt, Arbeitsprozesse zu rationalisieren. Dabei werden Arbeiten in kleinste Einheiten aufgeteilt und Tätigkeiten standardisiert, um die Effizienz zu steigern.
Quelle: In Anlehnung an Taylorismus, Britannica 2023.
Dass Arbeitsteilung der richtige Weg ist, um die Effizienz zu steigern, zeigte Charles Babbage bereits 1832. Das Babbage-Prinzip besagt, dass die Aufspaltung eines Arbeitsprozesses in unterschiedlich anspruchsvolle Teilprozesse die Lohnkosten für die Produktion senkt. Als wesentliche Komponenten des Scientific Management, später Taylorismus, gelten deshalb:
- Zerlegung von Arbeitsprozessen in kleinste Einheiten
- Spezialisierung von Arbeitern auf spezifische Aufgaben
- Standardisierung von Arbeitsbedingungen und -methoden
- Einsatz von Zeitstudien zur Optimierung von Arbeitsabläufen
- Kontinuierliche Überwachung der Arbeitnehmerleistung
Heute funktioniert diese Arbeitsteilung nicht nur innerhalb einer Fabrik, sondern über die gesamte Welt verteilt, genannt Globalisierung. Durch klassische funktionale Organisationsstrukturen erwirtschaftet heute in einem Industriebetrieb selbst ein Hilfsarbeiter einen pro Kopf Umsatz von €200.000 und mehr.
Kritik am Taylorismus
Wer Glasl und die Beschreibung zur Differenzierungsphase einer Organisation kennt, wird von der Kritik am Taylorismus nicht überrascht sein. Im Wesentlichen sind es drei zentrale Aspekte, die immer wieder genannt werden, wenn eine Organisation den Weg in die Arbeitsteilung geht:
- Standardisierung und mangelnde Flexibilität (One Best Way).
- Dehumanisierung der Arbeit. Der Mitarbeiter als Maschine.
- Mangelnde Beteiligung und Motivation wegen starker Kontrolle.
Die Kritikpunkte sind nicht überraschend. Gemäß Mewes Leitspruch – Schöpfe, Programmiere, Multipliziere – baucht es Standardisierung, um Arbeit zu teilen. Standardisierung ist das Gegenstück zu Flexibilität und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Wer Wohlstand durch Wachstum will, braucht Arbeitsteilung auf Basis von Standardisierung.
Was damals in Harvard gelehrt wurde und heute mit Begriffen wie Arbeitsvorbereitung, REFA, MTM und Zeitstudien zum Standard gehört, wird aufgrund seines ungeheuerlichen Erfolgs zu Unrecht kritisiert. Teilweise wird der Taylorismus sogar am Ende gesehen. Als hätten wir es nur noch mit komplexen Problemen zu tun, ist dieser Sirenengesang ausgemachter Blödsinn.
Die Taylor Wanne
Im Gefolge von Gerhard Wohland, sehen Nils Pfläging und Marc Poppenborg das Ende des Taylorismus kommen und begründen dies mit der Taylorwanne:




Nach Wohland ist die bis etwa 1900 dominierende Form der Wertschöpfung die industrielle Manufaktur. In den folgenden 80 Jahren bestimmt der Taylorismus die Wertschöpfung. Nicht mehr das Können der Werker ist die Basis, sondern die Wissenschaft.
Angeblich ist der Taylorismus seit den 1980 Jahren dem Untergang geweiht. Wohland begründet dies mit globalisierten Märkten und abnehmenden Wachstum. Toyota, der Meister arbeitsteiliger Prinzipien, wird als Vorzeigeunternehmen angeführt.
Warum die Taylorwanne in bestimmten Kreisen (Stichwort New Work), dennoch auf offene Ohren stößt, dazu habe ich zumindest eine Vermutung. Durch die immer stärkere Arbeitsteilung nehmen systemisch soziale Konflikte zu und das macht vielen Menschen große Mühe.
Systemisch soziale Konflikte
Wie Sprenger in seinem Podcast (Teil 1 und Teil 2) wunderbar erklärt, sind Konflikte innerhalb arbeitsteiliger Organisationen vorprogrammiert. Wenn man damit anfängt, Arbeit unter Menschen aufzuteilen, entwickeln sie lokale Rationalitäten, so Muster. Jede Abteilung entwickelt eine eigene Meinung darüber, was für die Organisation das Beste ist.
Nach Parsons erreichen Organisationen ihre Leistungsfähigkeit sogar nur dadurch, dass sie ihren Mitarbeitern verbieten, sich an den übergeordneten Zielen der Organisation zu orientieren. Stattdessen sollen Mitarbeiter lediglich die ihnen vorgeschriebenen Aufgaben erledigen und diese als den wichtigsten Zweck überhaupt begreifen.
So kommt es unweigerlich zu Konflikten zwischen Teams, Abteilungen und Bereichen. Jeder meint es gut, allerdings immer aus seiner eigenen Perspektive heraus. Diese Perspektiven kämpfen untereinander, für das Wohl der gesamten Organisation. Diese Konflikte sind in letzter Konsequenz überlebensnotwendig für das Unternehmen. Hier zum Nachhören unter dem Titel „Streitet euch“:
Da wir es häufig nicht besser wissen, schieben wir systemisch soziale Konflikte auf die persönliche Ebene. Wer sich diesem Mechanismus nicht bewusst ist, erlebt haarsträubende persönliche Konflikte, die immer wieder dasselbe Ende haben: Mein Gegenüber versteht mich einfach nicht! Dann brauchen wir dringend New Work oder eine andere Management-Mode, um uns von dieser Last zu befreien.
Dabei würde es schon helfen, sich selbst klarzumachen, jeder handelt in Bezug auf seine Ziele. Da die Anpassung der Person an das System als Irrweg abgetan wird (Führungskräfteentwicklung), wird versucht, das System den Personen anzupassen. Solange wir aber weiter wachsen wollen, ist für mich der zweite Weg ein Irrweg.
Fazit – Taylorismus nach Frederick Winslow Taylor
Scientific Management ist nicht mehr als eine konkrete Umsetzung des Babbage-Prinzips in der industriellen Fertigung. Die über die Jahrzehnte hochgeschaukelte Kritik unter dem Leitstern Taylorismus, ist für mich jedoch eine Kritik am Wachstumszwang, den wir in reichen Ländern erleben. Die Arbeitsteilung kann dafür herzlich wenig.
Für mich ist die Sache klar. Entweder wir verzichten auf Wachstum durch Arbeitsteilung und damit auf Wohlstand. Was ein komplettes Hinterfragen des Finanz- und Kreditsystems bedarf. Oder wir hören auf mit der kindischen Kritik unter dem Mantel des Taylorismus und lernen, mit systemisch sozialen Konflikten besser umzugehen.
Dr. Patrick Fritz
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