Systemprinzipien sind Wegweiser in sozialen Systemen von Iván Böszörményi-Nagy, dem Begründer der kontextuellen Therapie. Matthias Varga von Kibéd nutzt diese Systemprinzipien in seiner Arbeit mit systemischen Strukturaufstellungen. Dabei handelt es sich nicht um Vorschriften, sondern um heilsame Empfehlungen für soziale Systeme, wie dieser FRITZ Tipp zeigt.
Inhalt
Was sind soziale Systeme?
Bevor wir zur Medizin kommen, den Systemprinzipen, möchte ich einleitend über die Krankheit sprechen. Wo setzen die diese heilsamen Empfehlungen genau an? Das hängt davon ab, wen man fragt!
Der Psychologe erklärt sich menschliches Verhalten vom Individuum aus. Für ihn ist das Soziale eine Funktion individuellen Handelns. Dementsprechend ist der kleinste Teil eines sozialen Systems für die Palo-Alto-Schule rund um Bateson und Watzlawick der einzelne Mensch.
Der Soziologe erklärt sich menschliches Verhalten von der Umwelt aus. Für ihn sind individuelles Erleben und Handeln eine Funktion des Sozialen. Dementsprechend ist der kleinste Teil eines sozialen Systems bei Luhmann die Kommunikation selbst.
Die Palo-Alto-Schule betrachtet die Systemmitglieder, die Personen, als die Bestandteile des Systems. In der Luhmannschen Theorie bestehen soziale Systeme aus Kommunikationen. Quelle: Joop Willemse, Falko von Ameln – Theorie und Praxis des systemischen Ansatzes, S. 25-28 Egal ob ich nun Psychologe oder Soziologe bin, Probleme in sozialen Systemen werden als Störungen der Kommunikation aufgefasst. Darum geht es in der systemischen Beratung vorrangig darum, schwierige Kommunikationsmuster und die Regeln, die diese Kommunikation steuern zu verstehen und Ansätze zu ihrer Veränderung zu entwickeln. Und genau an dieser Stelle setzen die 5 Systemprinzipien an. Wenn etwas Neues Erfolg haben soll, sei es ein Projekt, ein Team oder eine Abteilung, braucht es Anerkennung der IST-Situation aller Beteiligten. Sonst zeigen sich unerwartete Widerstände an anderen Stellen. Die Flucht in die Zukunft ohne Anerkennung der Gegenwart ist also eine risikoreiche Angelegenheit und fördert Widerstände in Veränderungsprozessen gerade zu heraus. Ein Beispiel dafür sind zahlreiche Maschinenbauunternehmen. Immer mehr Funktionalität wird in der Software abgebildet und nicht mehr in der Mechanik. Bis hin zu Geschäftsmodellen in denen nur noch Software verkauft wird. Wer in diesem Umbruch leugnet, dass der Erfolg der letzten Jahrzehnte der Mechanik zuzuschreiben ist, darf sich über Widerstand nicht wundern. Wenn die Zugehörigkeit von Mitarbeitern, Teams oder Projekten nicht klar geregelt ist, entstehen Verwirrung und Unklarheit im System. Das erlebe ich häufig in Matrix-Organisationen. Daraus resultiert ein Mangel an Verbindlichkeit. Schließlich bin ich der Diener vieler Herren und kann das alte Mama-Papa-Spiel spielen.Das Prinzip der Nichtleugnung
Das Recht auf Zugehörigkeit
Die Anerkennung der zeitlichen Reihenfolge
Für auf Wachstum ausgelegte soziale Systeme gilt, dass Frühere vor Späteren Vorrang haben. Ältere Systemteile haben Anrecht auf Ausgleich, weil Sie Platz machen mussten für neuere Systemteile. Der Ausgleich kann dadurch erreicht werden, dass die Älteren symbolisch die Ersten bleiben. Die Entsorgung der Älteren durch die Hintertür ist also für das soziale System nicht ratsam.
Die Anerkennung des höheren Einsatzes für das Ganze
Wer einen hohen Einsatz für ein soziales System bringt, sollte dafür gewürdigt werden. Wenn man still hinnimmt, dass es Mehr- oder Minderleister gibt, führt dies zur Unzufriedenheit. Deshalb sollte der höhere Einsatz eines Systemteils entsprechend honoriert und kenntlich gemacht werden. Dabei geht es wieder um Anerkennung.
Der Vorrang von höheren Leistungen und Fähigkeiten
Ein Unternehmen, das sich weiterentwickelt, sollte sich um die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter kümmern. In aufgabenorientierten Systemen wie einem Unternehmen ist es nun wichtig, die höheren Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter gezielt hervorzuheben und entsprechend zu fördern.
Nutzen der Systemprinzipien
Im Rahmen des Führungskreis für High Potentials ist mir aufgefallen, dass die Beachtung der Systemprinzipien auf die Bedürfnisse des Menschen einzahlen. Diese Grundbedürfnisse sind mittels zweier Akronyme gut einprägbar:
- SCARF = Status, Certainty, Autonomy, Relatedness, Fairness.
- RAMP = Relatedness, Autonomy, Mastery, Purpose.
Die Anerkennung höherer Leistung und Fähigkeiten zahlen auf Status und Autonomie ein. Das Recht auf Zugehörigkeit zahlt auf Verbundenheit und Sicherheit ein. Nichtleugnung und die Anerkennung der zeitlichen Reihenfolge zahlen auf Fairness ein.
Jeder Mensch ist von Haus aus motiviert, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Eine Verletzung der Systemprinzipien kann demnach als Demotivation begriffen werden, die Angst, Stress, Unsicherheit, kurzum massiven Widerstand auslöst. Sprenger trifft es gut, wenn er behauptet, Menschen widersetzen sich nicht dem Wandel, sondern selbst verändert zu werden.
Fazit – Systemprinzipien
Die beschriebenen Systemprinzipien sind zwar keine Gesetzte aber gute Wegweiser für die Arbeit mit sozialen Systemen: Erkenne die IST-Situation an. Regele die Zugehörigkeiten klar. Das Ältere hat Vorrang vor dem Jüngeren. Höherer Einsatz muss honoriert werden. Die Weiterentwicklung muss gewährleistet sein. Damit zahlst du direkt auf die Bedürfnisse von Menschen in deinem Umfeld ein!
Dr. Patrick Fritz
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