Strategieentwicklung ist eines der wichtigsten Themen in der Geschäftsleitung. Nicht umsonst verleiht das Wort Strategie vielen Dingen eine besondere Wertigkeit: Unternehmensstrategie, Digitalisierungsstrategie, Vertriebsstrategie, IT-Strategie. Kling gut, oder? In diesem FRITZ Tipp zeige ich euch wie Strategieentwicklung nach Strategiepapst Henry Mintzberg gelingt.
Inhalt
Was ist Strategie nach Mintzberg?
Der berühmte Aufsatz von Strategiepapst Henry Mintzberg trägt den Titel Five Ps For Strategy. Darin beschreibt Mintzberg fünf unterschiedliche Perspektiven, die man auf Unternehmensstrategie haben kann. Damit erklärt er die andauernde Verwirrung rund um den Strategiebegriff.
2. Pattern (=Muster): Eine Vielzahl vergangener Einzelentscheidungen ergeben zusammen ein konsistentes Muster und werden nachträglich in einen Gesamtzusammenhang – die Strategie – gestellt.
3. Ploy (=Kriegslist): Strategie wird als eine Art List verstanden, mit deren Hilfe Mitbewerber ausgetrickst werden.
4. Perspective (=Denkhaltung): Strategie als Perspektive legt die Art und Weise fest, wie eine Organisation agiert.
5. Plan (=Plan): Strategie beschreibt einen angestrebten Zielzustand und den Weg dorthin.
Auch wenn es nicht im Sinn von Henry Mintzberg ist, bedeutet Strategie für mich einen längerfristigen Plan zu haben. Konkret einen Plan der das Unternehmen, den Bereich, die Abteilung von der Gegenwart in die Zukunft führt. Anders formuliert, wie erreichen wir unsere Unternehmensziele?
Strategieentwicklung mit der Mintzberg Strategie Brücke
Wie komme ich nun zu einem Plan der das Unternehmen, den Bereich, die Abteilung von der Gegenwart in die Zukunft führt? Der Fachbegriff dazu lautet Strategieentwicklung oder Strategieprozess. Das Mintzberg Modell Strategie Brücke liefert dazu eine wunderbare Anleitung:

Die Zutaten für erfolgreiche Strategieentwicklung sind dank der Mintzberg Strategie Brücke schnell aufgezählt:
- Gegenwart: Woher kommen wir und wo stehen wir heute?
- Zukunft: Wo wollen wir hingehen und in Zukunft sein?
- Plan: Wie kommen wir von der Gegenwart in die Zukunft?
Schauen wir uns die Zutaten genauer an.
Schritt 1: Gegenwart
Um die Gegenwart zu beschreiben, stehen eine Unmenge an Methoden oder Instrumenten zur Verfügung: BCG-Matrix, Wertkurve, Kernkompetenz-Analyse, Value Chain Analyse, Five-Forces-Model, Benchmarking und SWOT. Jedes Tool hat Vor- und Nachteile. Die SWOT-Analyse ist mit Sicherheit am weitesten verbreitet. Für mich hat sich der Business Modell Canvas besonders gut bewährt, weil er alle wesentlichen Aspekte abdeckt.

Der Business Modell Canvas kann zudem mit der SWOT-Analyse kombiniert werden (siehe Osterwalder, S. 220). Dabei wird nach Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken in Bezug auf jeden einzelnen Baustein des Business Model Canvas gefragt: Produkte, Zielkunden, Partner, usw. Was auf keinen Fall fehlen darf, sind qualitative Interviews, um die Situation innerhalb der Geschäftsleitung zu spüren.
Die Darstellung der Gegenwart kann, muss aber nicht, in der Formulierung von Unternehmenszweck, Aufgabe, Purpose oder Mission ihren Niederschlag finden. Den Auftrag, den sich die Organisation in der Gegenwart selbst gegeben hat.
Quelle: Persönliche Mitschrift bei einem Workshop mit Dr. Karina Bremer 2019.
Schritt 2: Zukunft
Um die Zukunft zu beschreiben, stelle ich euch drei klassische Methoden der Strategieentwicklung vor, die ich je nach Ausgangssituation verwende:
- Leitfragen stellen: Wir können auf der rein verbalen Ebene bleiben und Fragen stellen. Wie soll das Unternehmen im Jahr… sein? Was unterscheidet uns dann von anderen? Was sind unsere Kernkompetenzen? Was ist unser Markt?
- Interview in der Zukunft: Angenommen die Zukunft ist bereits geschehen und unsere Arbeit war sehr erfolgreich. Wir schreiben das Jahr … . Was bekommen wir zu sehen und hören?
- Bilder malen, Collagen gestalten: Bei dieser Variante sind die Teilnehmer gezwungen bildhafter zu arbeiten. Schließlich soll es ein Zukunftsbild werden.
Wer bei der Beschreibung der Gegenwart den Business Modell Canvas verwendet hat, kann direkt darauf aufbauen und eine der drei folgenden Methoden der agilen Strategieentwicklung verwenden:
- Trend-Check: Das Unternehmen möchte wissen was ein aktueller Trend für die Zukunft der Organisation bedeutet. Paradebeispiel Nr. 1 ist Digitalisierung. Wie sieht unser künftiges Geschäftsmodell aus, wenn wir es mit der HoloLens betrachten?
- Lean-Startup: Eric Ries stellt in seinem Buch Lean Startup sogenannte Kurskorrekturen vor. Dabei handelt es sich um Denkschablonen, wie man ein Geschäftsmodell verändern oder variieren kann.
- Business Model Navigator: Gassmann, Frankenberger und Csik stellen 55 Geschäftsmodell-Muster vor, die ebenfalls dabei helfen können, einen attraktiven SOLL-Zustand des Geschäftsmodells zu entwickeln.
Egal welche Methode verwendet wird, die Ergebnisse müssen in ein knackiges Statement übersetzt werden. Dieses Statement nennt sich gerne Vision. Die Vorstellung eines idealen zukünftigen Zustands, der angestrebt wird.
Quelle: Persönliche Mitschrift bei einem Workshop mit Dr. Karina Bremer 2019.
Schritt 3: Plan
Strategie ist ein Plan, um von der Gegenwart in die Zukunft zu gelangen. Das organisatorische Vehikel, um von A nach B zu kommen, nennt sich Projekt. Projekte brauchen Ziele, die nach dem SMART-Prinzip formuliert sind. An Ziele kommen wir durch drei Fragen:
- Was müssen wir bewahren, um die Vision zu erreichen (=Bewahrungsziele)?
- Was müssen wir vermeiden, um die Vision zu erreichen (=Vermeidungsziele)?
- Was müssen wir verändern, um die Vision zu erreichen (=Veränderungsziele)?
Die Veränderungsziele ergeben die einzelnen Teil-Projekte, Handlungsfelder oder Initiativen im Rahmen des Strategieprozess. Wenn es tatsächlich mehrere Projekte sind, können wir auch ein Programm daraus machen. Ergänzt um eine Steuerungsgruppe, um die Projekte im Rahmen der Strategieumsetzung zu koordinieren.
Nach welchem Vorgehensmodell, agil oder plangetrieben, hängt von der Änderungsrate innerhalb des jeweiligen Projekts ab. Wenn es das Projekt erfordert, hat die Kombination von Design Thinking und SCRUM besonderen Charme, um Version 1.1 des Unternehmens zu entwickeln.
Stolpersteine der Strategieumsetzung
Die Zeitschrift für Organisationsentwicklung hat achtzehn Stolpersteine der Strategieumsetzung aus Sicht von Praktikern zusammengefasst. Viele der genannten Stolpersteine lassen sich auf schlechte Kommunikation der Strategie zurückführen. Weitere Stolpersteine betreffen das Verhalten des Top Managements sowie das Change Management:

Nach meiner Erfahrung sind die größten Stolpersteine Unklare Ziele (siehe SMART), kein konsequentes Nachhalten (siehe Kulturveränderung) und Burn-Out bzw. Change-Müdigkeit. Eine Strategieprojekt muss aufs Geschäft einzahlen. Sonst geht dem Projekt früher oder später die Luft aus.
Strategieentwicklung vs Organisationsentwicklung
Wenn das Wort Strategieentwicklung im Raum steht, ist Organisationsentwicklung nicht weit. Worin unterscheidet sich Strategieentwicklung von Organisationsentwicklung? Nach Häfele ist Organisationsentwicklung definiert als:
Organisationsentwicklung ist ein Veränderungsprozess einer Organisation und der darin tätigen Menschen, der sich an bestimmten Werten und Prinzipien orientiert.
In diesem Sinne beschreibt Organisationsentwicklung eine wertorientierte Haltung für die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen. Organisationsentwicklung ist eine mögliche Variante wie Strategieentwicklung und Strategieumsetzung geschehen kann.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Strategieentwicklung und Organisationsentwicklung zeigen sich beim Blick auf die 7 idealtypische Phasen im Organisationsentwicklungsprozess:
- Orientierungsphase: Im Rahmen einer Orientierungsveranstaltung werden mit dem Management, klare Vereinbarungen zur Ausgangssituation, Zielen und Vorgehensweise getroffen.
- Situationsklärung und Zukunftsmodellierung: Durch eine Selbstdiagnose wird ein gemeinsames Verständnis der IST-Situation entwickelt und Zukunftsbilder erarbeitet.
- Zielfindung: Daraus abgeleitet werden Veränderungsziele durch das Management konkretisiert, priorisiert und ausgewählt.
- Installieren der Steuerungsstruktur: Ein interner Projektleiter oder eine Entwicklungsgruppe wird installiert, um die Veränderungsprojekte aufzusetzen.
- Informieren des Gesamtsystems: Möglichst viele Mitglieder der Organisation sollen über laufende Projekte und das weitere Vorgehen informiert werden.
- Bearbeiten der ausgewählten Ziele in Teilprojekten: Manche Veränderungsziele können direkt in der Linie abgearbeitet werden, manche brauchen eine gesonderte Projektorganisation.
- Absichern des OE-Prozesses: (Zwischen-)Kontrolle und Reflexion des Gesamtprozesses. Vereinbarung weiterer Maßnahmen, damit der Prozess am Leben bleibt.
Systemische Strategieentwicklung
Für Luhmann besteht das Wesen einer Organisation aus Entscheidungen. Sogenannte Entscheidungsprämissen, bilden Festlegungen, die den alltäglichen operativen Entscheidungen einer Organisation einen Orientierungsrahmen geben. Man könnte auch von Meta-Entscheidungen oder Spielregeln eine Organisation sprechen.
Auf Luhmann aufbauend wird nach Nagel unter Strategie ein Set an geschäftspolitischen Prämissen verstanden, die im operativen Geschehen die alltäglichen Entscheidungsprozesse eines Unternehmens anleiten: Produkte, Zielmärkte, Zielkunden, Technologien, sowie das Geschäftsmodell.
Nagels Strategieverständnis ist kompatibel mit Mintzberg. Demnach ist Strategie ein Plan, um von der Gegenwart in die Zukunft zu gelangen. Dieser Plan muss Festlegungen hinsichtlich Produkte, Zielmärte, Zielkunden, Technologien und Geschäftsmodell umfassen. Auch hier liefert der Business Model Canvas eine wunderbare Orientierung.
WICHTIG! Strategie ist nur eine Entscheidungsprämisse von mehreren im Rahmen der Unternehmensentwicklung. Heitger bzw. Luhmann sehen neben Strategieentwicklung, auch Organisation, Verhalten der Mitarbeiter und Führung als Aufgaben der Unternehmensentwicklung.
Fazit – Strategieentwicklung
Strategieentwicklung ist nach Mintzberg ein Prozess, um ein Ziel in der Zukunft zu erreichen. Für den Weg vom IST zum SOLL gibt es viele Namen – Strategieentwicklung, Unternehmensentwicklung, Organisationsentwicklung – die Logik bleibt dieselbe.
Wichtig erscheint mir, dass alle relevanten Stakeholder dasselbe Verständnis der zugrundliegenden Begriffe haben. Ist dem nicht so, kann man sich über Monate hinweg mit Strategieentwicklung befassen ohne jedes Ergebnis und sich trotzdem wichtig fühlen.
Dr. Patrick Fritz
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