Wie entwickle ich ein Ökosystem, das ohne Zwangsbeatmung überlebensfähig ist? Als Antwort auf die Frage eines Sparringspartners stellte uns Referentin Barbara Albrecht das Konzept Psychologische Sicherheit von Amy Edmondson vor, Professorin für Leadership and Management an der Harvard Business School. In diesem FRITZ Tipp fasse ich für euch die wichtigsten Gedanken zusammen.
Verstehe, was psychologische Sicherheit bedeutet
„Kein Gefühl raubt dem Geist in solch einem Ausmaß die Fähigkeit, zu handeln und klar zu denken, wie die Angst“, so der Staatsphilosoph Edmund Burk 1756. Amy Edmondson argumentiert, in Unternehmen, die auf Wissen und Innovation setzen, müssen die vorhandenen Talente so gut wie möglich eingesetzt werden. Dies gelingt in einer Arbeitsumgebung in der Talente ihr Wissen, aber auch ihre Sorgen, Fragen und Fehler teilen können. Hier kommt der Faktor psychologische Sicherheit ins Spiel:
Psychologische Sicherheit wird allgemein als eine Arbeitsatmosphäre bezeichnet, in der sich Menschen ausdrücken und sie selbst sein könnten. Spezifischer kann man sagen, dass Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz psychologische Sicherheit erfahren, sich ermuntert fühlen, Bedenken und Fehler zu äußern, ohne Angst vor Beschämung oder Strafe.
Kurz gesagt, in einer psychologisch sicheren Arbeitsumgebung werden die Mitarbeiter nicht durch zwischenmenschliche Angst behindert. Dadurch erklärt sich in Edmondsons Forschung die Unterschiede bei der Leistung in verschiedenen Arbeitsumgebungen. Kernaussage: Keine Organisation im 21. Jahrhundert kann sich eine Kultur der Angst leisten.
Wie man psychologische Sicherheit messen kann
Ein sehr gutes Messinstrument für psychologische Sicherheit ist PsySafety-Check (PS-C) nach Fischer, J. A., & Hüttermann, H. (2020). Auf einer Skala von 1=stimme ganz und gar nicht zu bis 7= stimme voll und ganz zu, werden sieben Items durch die Teammitglieder bewertet:
- In diesem Team kann man auch Probleme und schwierige Themen offen ansprechen.
- Niemand in diesem Team würde absichtlich etwas tun, das meiner Arbeit schadet.
- Wenn man in diesem Team einen Fehler macht, dann wird einem das oft vorgehalten.
- In diesem Team kann man sich trauen, ein persönliches Risiko einzugehen.
- Die Mitglieder dieses Teams sind manchmal TeamkollegInnen gegenüber abweisend, die anders sind.
- In diesem Team ist es schwierig, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten.
- Bei der Zusammenarbeit in diesem Team werden meine besonderen Fähigkeiten und Begabungen wertgeschätzt und genutzt.
Für unsere Leser habe ich eine Mentimeter-Umfrage zusammengebaut, damit jeder in seinem Team eine schnelle Erhebung zur psychologischen Sicherheit durchführen kann. Die angegebenen Mittelwerte liegen bei 4.95 für Item 4 bis 5.99 für Item 6. Hier der Voting Link: PsySafety-Check (PS-C). Hier die Auswertung:
Entdecke die besten Wege, um psychologische Sicherheit zu erreichen
Edmondson selbst, bietet im oben verlinkten Video drei einfache Maßnahmen an, um psychologische Sicherheit im Team zu fördern:
- Gestalte die Arbeit als Lernproblem, nicht als Ausführungsproblem.
- Erkenne deine eigene Fehlbarkeit an.
- Zeige Neugier und stellen Sie viele Fragen.
Google hat im Projekt Aristoteles (siehe auch Projekt Oxygen) herausgefunden, psychologische Sicherheit hat den größten Einfluss auf erfolgreiche Teamarbeit und schlägt seinen Managern folgende Maßnahmen vor:
- Zeige Engagement
- Zeige Verständnis
- Sei in zwischenmenschlichen Situationen integrativ
- Sei bei der Entscheidungsfindung inklusiv
- Zeige Selbstvertrauen und Überzeugung, ohne unflexibel zu wirken
Jonathan Sprungk, bekannt durch sein Konzept Radikale Verantwortung, schlägt vor die 4 archetypischen Gefühlen Wut, Trauer, Angst und Freude verantwortungsvoll in den Führungsalltag zu integrieren und damit wirkungsvoll zu führen:
Affekte, Gefühle, Emotionen werden in unserem Sprachraum häufig synonym verwandt. Der US-Psychologie Tomkins unterscheidet in seiner Affekttheorie sorgfältig. Affekte sind für ihn unmittelbare, körperliche Reaktionen auf innere oder äußere Reize, wie z.B. Wut, Freude oder Angst. Also das, was Sprungk Gefühle nennt. Gefühle sind Tomkins die subjektive Entsprechung, also Affekte plus Sprache. Emotionen sind Affekte plus Geschichte, auch Skripte genannt. Wer hier tiefer rein möchte, empfehle ich den folgenden Podcast:
Fazit
Psychologische Sicherheit zielt darauf ab eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Talente ihr Wissen, aber auch ihre Sorgen, Fragen und Fehler teilen können. Eine Kultur der Angst hat in einem mitarbeiterorientierten Unternehmen nichts mehr zu suchen, was inzwischen auch Google erkannt hat. Vielleicht ist es an der Zeit das Verbot Gefühle im Business zu zeigen auf den Prüfstand zu stellen. Aber nur vielleicht…
Dr. Patrick Fritz
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