In der Einladung zum Führungskreis Personal habe ich zur Personalabteilung der Zukunft behauptet: „Das Ziel des strategischen Business-Partners, dass viele HR-Funktionen noch nicht einmal erreicht haben, wird bald hinfällig sein. Denn der Personalbereich kann nur dann Mehrwert liefern, wenn er dem Geschäft nicht mehr hinterherläuft, sondern selbst Leitlinien vorgibt.“ Hinter dieser Aussage stehe ich nach wie vor, möchte sie in diesem FRITZ Tipp aber nachschärfen und Hintergründe liefern.
Woher kommt die Personalabteilung?
Dave Ulrich forderte mit seinem Business Partner Modell bereits 1997 – also vor knapp 30 Jahren – das die Personalabteilung zum Business-Partner des Top-Managements wird und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten muss. Für die damalige Zeit eine revolutionäre Forderung.
„Im Führungskreis Personal werden in sehr direktem, offenem und positivem Austausch die aktuellen Anliegen der teilnehmenden Betriebe bearbeitet. Für mich ist die Art wie Patrick die Gruppe nutzt, das aktuelle Thema aufzubereiten, besonders wertvoll. Als Moderator springt er an den richtigen Stellen ein und schafft es überraschende, lehrreiche und wertvolle Ergebnisse herauszuarbeiten. Begleitend sind immer spannende Referenten mit dabei, die sehr aktuelle Inputs auf höchstem Niveau mitgeben. Auf die Termine möchte ich nicht verzichten!“
- Administrative Expert: Effiziente Prozesse für die HR-Kernaufgaben sicherstellen (z.B. Mitarbeiterauswahl, Personalverwaltung, Personalverrechnung usw.).
- Employee Champion: Zufriedenheit der Mitarbeiter managen.
- Change Agent: Veränderungsprozesse gestalten und begleiten.
- Strategic Partner: Partner bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie durch HR-Maßnahmen.
In seinem neuen Buch Victory Through Organization hat Ulrich sein Modell weiter entwickelt. Inzwischen spricht er von neun Kernkompetenzen, die je eine Rolle bilden: Credible Activist, Paradox Navigator oder Human Capital Curator.
Mit der Grundforderung zur Wertschöpfung beizutragen kann ich sehr viel anfangen. Mit den damaligen Rollen und Strukturen kann ich teilweise etwas anfangen. Die Personalabteilung als Change Agent – wirklich? Die weiterentwickelten Rollen halte ich für totalen Blödsinn. Modelle sollen durch Abstraktion den Blick fürs Wesentliche schärfen und nicht verwirren.
Da ist mir der kühle Blick der Soziologie fast noch lieber, die vermutet das die Personalabteilung aus einem Misstrauen der Organisation gegenüber der Personalpolitik ihrer Führungskräfte entstanden ist. Personaler als Kämpfer gegen das Don-Corleone-Prinzip.
Wo steht die Personalabteilung von heute?
In meiner Wahrnehmung ist die Personalabteilung in kleineren Unternehmen bis ca. 250 Mitarbeitern schwerpunktmäßig in der Rolle Administrative Expert unterwegs. Also als klassischer Personalbeschaffer und -verwalter. Daran ist nichts Verwerfliches. Das Business erfordert eben (noch) nicht mehr.
In diesem Zusammenhang bin ich auch über Ulrichs erfolgte Klarstellung froh: „Die Organisationsstruktur von HR muss zur Geschäftsstruktur passen!“ . Anders ausgedrückt: Die Rolle der Personalabteilung muss zur Entwicklungsphase der Organisation passen.
In mittleren Unternehmen bis ca. 1000 Mitarbeitern kommt zusätzlich die Rolle des Employee Champion mit ins Spiel. Wir sprechen also von Themen wie Mitarbeiterumfragen, Great Place to Work, Jahresgespräche, Zielvereinbarung, Vergütungsmodelle und Weiterbildung. Fachlich spezialsierte Einheiten wie Recruiting und Personalentwicklung kommen mit dazu.
Erst in größeren Unternehmen ab ca. 1000 Mitarbeitern und viel größer, wird das Wort Business Partner überhaupt in den Mund genommen. Erst die zunehmende Arbeitsteilung ermöglicht es sich über Sachen wie HR-Fachbereiche oder Shared Service Center Gedanken zu machen.
Immer dort, wo es zur Arbeitsteilung kommt ist Koordination notwendig. Hierarchie ist in diesem Zusammenhang das zentrale Instrument der Koordination. Hierarchen ermöglicht die Koordination vieler autonomer Leute nach bestimmten vorgegeben Spielregeln (Entscheidungsprämissen).
Jetzt kommt aber das ganz große ABER. In sehr vielen Unternehmen, in denen ich unterwegs bin, hat die Personalabteilung häufig einen schlechten Ruf, weil sie in der Realität nicht leisten kann, was auf dem Papier versprochen wird.
- Generell wird bei Kosten im indirekten Bereich gerne gespart. Der Wasserkopf soll ja klein bleiben.
- Fehlende Ressourcen führen zu einem Fokus auf den administrativen Bereich. Die HR-Kernaufgaben Personalbeschaffung und -verwaltung haben schließlich Vorrang.
- Der Fokus auf das Tagesgeschäft verhindert den Aufbau von notwendigen Kompetenzen, um mit dem Business auf Augenhöhe zu sein.
Also in Summe keine böse Sache. Jeder macht was er kann. Aber halt nicht mit genügend Weitblick, um die Personalabteilung der Zukunft sicher zu stellen.
Wohin geht die Reise (Teil 1)?
Wie der Gartner Hype Cycle schön aufzeigt, sind diverse Technologien am reifen, die Fantasie in Marketingbegriffe wie Digitalisierung und Industrie 4.0 bringen könnten: Machine Learning, Cognitive Expert Advisors und Smart Robots. Allen Technologien gemeinsam ist das Potential, Aufgaben zu automatisieren, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Für die Personalabteilung der Zukunft heißt das ganz konkret, dass Aufgaben in der Personalbeschaffung und -verwaltung wegfallen bzw. automatisiert werden können.
Wenn diese Aufgaben wegfallen, kann man das zum einen als Gefahr sehen. Wird es meinen Job dann überhaupt noch geben? Man kann es aber auch als Chance sehen. Nämlich, dass lästige repetitive Arbeiten wegfallen und im besten Fall Zeit für wichtigere Aufgaben frei wird. Was könnten diese wichtigen Aufgaben sein?
Wohin geht die Reise (Teil 2)?
Wie kann die Personalabteilung strategisch relevant werden? In letzter Zeit beschäftige ich mich intensiv mit der Innovationsmethode Design Thinking. Wir haben intern ein solches Projekt mit Führungskräften aus allen Funktionsbereichen eines Industrieunternehmens gestartet. Vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Bei der Auswertung der Interviews ist uns schnell aufgefallen, dass immer wieder Bedürfnisse genannt werden, die im Kern die ureigensten Aufgaben der Personalabteilung wären:
- Erfahrene Gesprächspartner:
Ich wünsche mir einen ebenbürtigen Sparringspartner rund um alle Personal-Themen. Diese Themen sind… . - Persönliche Entwicklung:
Ich wünsche mir trotz Tagesgeschäft die Möglichkeit mich und meine Mitarbeiter weiterzuentwickeln = Personalentwicklung. - Bereichs- übergreifende Abstimmung:
Ich wünsche mir einfachere Abstimmungen zwischen den Abteilungen bzw. dass die Schnittstellen besser geregelt sind = Organisationsentwicklung.
Um es in einem Satz zusammen zu fassen. Das Business braucht erfahrene Gesprächspartner zu allen PE- und OE-Themen und davon gibt es jede Menge. Mitarbeiterführung, Personalentwicklung, Führungskräfteentwicklung, Eigen- oder Selbstverantwortung stärken, Agile Transformation, usw.
Fazit – Personalabteilung der Zukunft
Das Business Partner Modell hat viele gute Diskussionen über den Beitrag der Personalabteilung zum Unternehmenserfolg in Gang gesetzt. Die Rollen- und Strukturdiskussion geht für mich aber am Ziel vorbei, weil sie von Innen getrieben ist. Welche Rolle könnten wir denn einnehmen? Nach dem Motto wünsch dir was.
Ich möchte die Frage umdrehen. Welche Rolle sollen wir denn einnehmen? Was wird gefordert? Die Antwort ist klar: Die Personalabteilung der Zukunft ist erfahrener Gesprächspartner in allen PE- und OE-Themen. Durch die zunehmende Prozessautomatisierung ist dieser Wunschtraum erstmals in greifbare Nähe gekommen.
Dr. Patrick Fritz
Wow, klare Worte über die Personalabteilungen dieser Zeit. Es sind auch genau meine Worte. Vor über 10 Jahren habe ich eine Master Arbeit geschrieben über dieses Thema. Der Titel lautete „Bejond Dave Ulrich“. Die Professoren hatten gar keine Freude und wollten mir x andere Themen vorschlagen. Am Ende waren sie doch recht erstaunt und positiv angetan.
Gratuliere!
Jetzt möchte ich gerade eine Personalabt. aufbauen und stehe gerade vor dieser Herausforderung 🙂