Nächstes Jahr möchte ich 5 Kilo abnehmen. Wir alle kennen diese Vorsätze sowie ihre Wirksamkeit. Die Nobelpreisträger Thaler und Sunstein liefern mit ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ die perfekte Anleitung wie aus edlen Vorsätzen Taten werden. Ein erstes Nudge Beispiel liefert das wunderbare Piano Stairs Video:
Was ist Nudging?
Die Verhaltensökonomie zeigt, der rein rational handelnde Homo oeconomicus existiert außerhalb wirtschaftswissenschaftlicher Lehrbücher selten. Wäre dem so, würden alle guten Vorsätze auch tatsächlich umgesetzt. Thaler und Sunstein nutzen diese Erkenntnisse, um Menschen durch Nudging „bessere“ Entscheidungen nahe zu legen.
Quelle: Thaler und Sunstein (2011)
Nudging meint auf Deutsch so viel wie „sanfter Stupser“. Nudges sind nach Thaler und Sunstein bewusst gewählte Elemente einer Entscheidungsarchitektur, die durch sanftes Anstupsen eine Entscheidung in einer vorhersehbaren Weise beeinflussen. Um dies zu erreichen, wird der physische, psychische und soziale Entscheidungskontext gezielt gestaltet.
Durch diese Nudge Definition zeigt sich der unmittelbare Nutzen für Führungskräfte. Führung ist nach Rosenstiel die zielbezogene Einflussnahme durch Personen und Strukturen, um definierte Ziele zu erreichen. Nudges sind eine Möglichkeit für den eigenen Werkzeugkasten, um Strukturen in Form von Entscheidungen bewusster zu gestalten und beeinflussen.
Nudging Beispiele
Hier ein weiteres Nudging Beispiel der dänischen Nudge Unit, wie man kluge Ernährung im Alltag nahelegt:
Ein weiteres schönes Nudging Beispiel kommt auf Nijmegen (Holland) und zeigt wie die Verkehrssicherheit zur Rush Hour erhöht werden kann:
Wie geht Nudging?
Durch einen Tipp bin ich auf das MINDSPACE Gestaltungsmodell zur Verhaltensänderung nach Vlaev et al. gestoßen. Das MINDSPACE Modell wurde im Rahmen der Arbeit des Behavioural Insights Team entwickelt. Auch bekannt als die inoffizielle Nudge Unit der britischen Regierung. Ziel ist ein Toolkit oder Werkzeugkasten zur Verhaltensänderung durch Nudges zu schaffen:
MINDSPACE-Technik | Nudge Wirkung | Nudge Beispiel |
Messenger | Wir werden von derjenigen Person beeinflusst, die uns eine Information übermittelt. | Einbindung von angesehenen Mitarbeitern oder Experten, wie z.B. Drosten oder Popper in der Corona-Kommunikation. |
Incentives | Unsere Antworten auf Anreize werden durch mentale Abkürzungen bestimmt, wie z.B. die Tendenz Verluste zu vermeiden oder Gewinne zu erzielen. | Anrechnung der Teilnahme an Aktionen als Arbeitszeit, wie z.B. Schulungen. Die tägliche Kommunikation der Corona-Infektionen ist z.B. effektiver als eine monatliche Information, weil die möglichen Verluste höher erscheinen. |
Norms | Wir werden von dem beeinflusst, was andere tun, z.B. durch soziale Normen und Netzwerke. | Der Hinweis, 9 von 10 unserer Hotelgäste verwenden ihr Handtuch mehrfach, führt zu weniger häufigem Wechseln der Handtücher. Oder das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung wird von Führungskräften vorgelebt und bei Nichteinhalten offen angesprochen. |
Defaults | Wir schwimmen mit dem Strom bei vorausgewählten Handlungsoptionen. | Automatische Anmeldung zu Aktionen mit der Option, sich wieder abzumelden. Beispiele dafür sind die Organspende oder die private Rentenvorsorge als Default-Wert zu setzen, mit der Möglichkeit sich wieder abzumelden. |
Salience | Unsere Aufmerksamkeit wird auf Neues und persönlich Relevantes gelenkt. | Anbringung von Hinweisschildern mit eingängigen Botschaften an Orten, die für das Verhalten relevant sind, z.B. landet 80 % weniger Urin auf dem Boden, durch das Abbild einer Fliege in Urinalen. |
Priming | Unsere Handlungen werden oft durch unbewusste Reize und Auslöser beeinflusst. | Auffällige Platzierung und attraktive Gestaltung der gesünderen Mahlzeit in der Kantine im Vergleich zur ungesunden Variante. Werden z.B. Gerichte auf kleineren Tellern präsentiert, nehmen Menschen deutlich weniger zu sich. |
Affect | Unsere Emotionen bestimmen unsere Handlungen. | Gestaltung abschreckender Bilder mit Konsequenzen des sicherheits- oder gesundheitsgefährdenden Verhaltens, z.B. von Unfällen im Betrieb oder Krankheiten auf Zigarettenschachteln. |
Commitments | Wir streben bei unseren öffentlichen Versprechen und zwischenmenschlichen Handlungen innerlich nach Konsistenz. | Gehen von 10.000 Schritten am Tag durch gemeinsame Teilnahme an einem Wettbewerb. Womöglich haben persönliche Umsatzziele eine ähnliche Funktion. |
Ego | Wir verhalten uns so, dass wir uns persönlich besser fühlen. | Drücken Führungskräfte Vertrauen in die Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten aus, so könnte dies dazu führen, dass sie höhere Leistungen erbringen, um diesen Erwartungen gerecht zu werden (Pygmalioneffekt). |
Nudging Wirkung entschlüsselt
Das folgende Nudge Beispiel, der Light Stripper von Contrex zeigt, wie die verschiedenen Dimensionen des MINDSPACE Modells ineinandergreifen:
Welches aber nun der effektivste Nudge ist, fällt selbst versierten Verhaltensökonomen schwer, wie die Studie von Milkman, K.L., Gromet, D., Ho, H. et al. beweist.
Bei einem breit angelegten Feldexperiment mit 61.293 Teilnehmern einer Fitnessstudiokette wurden die Auswirkungen 54 verschiedener Nudges in derselben Population auf dasselbe Objekt gemessenen. Die leistungsstärkste Nudging-Intervention boten Mikroprämien für die Rückkehr ins Fitnessstudio nach einem verpassten Training.
Fazit – Nudges
Als Führungskraft muss man das 1×1 der Führung durch Einsicht, Vorbild und Konsequenz beherrschen. Profis finden mit Nudging eine wahre Schatzkiste, um die eigenen Handlungsmöglichkeiten massiv zu erweitern.
Wie sich zeigt sind die kleinen Belohnungen am effektivsten. Da aber selbst Prognosen von unparteiischen Richtern nicht vorhersagen, welche Interventionen am effektivsten wären, führt nicht am regelmäßigen Testen vieler verschiedener Nudges vorbei. Welches Nudges wählst du im Alltag, um im nächsten Jahr 5 Kilo abzunehmen?
Dr. Patrick Fritz
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