Mit New Work wird wieder einmal eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Das Schöne daran? New Work ist inzwischen ein Begriff ohne Inhalt. Jeder interpretiert hinein was er möchte. Was mich zu dieser scharfen Kritik führt, erfährst du in diesem FRITZ Tipp.
Inhalt
Was ist New Work?
Grundidee von New Work ist, dass Menschen auch in ihrem Beruf, nicht nur in ihrer Freizeit, das tun sollen, was sie am besten können und auch am liebsten tun.
Quelle: Wolf Lotter in der WirtschaftsWoche von 24. Juni 2023
New Work geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann (1930-2021) in den 70er Jahren zurück. Sein Interesse gilt der Frage nach der Freiheit des Menschen, die durch Arbeit stark eingeschränkt scheint. Dies führt ihn zur Frage: „Was will ich wirklich, wirklich tun?“ Die Antwort liegt für Bergmann in einer Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung.
Wenn man die 3 S für Wahr nimmt, kommen mir Zweifel, ob New Work und ein Angestelltenverhältnis wirklich zusammenpassen. Was Bergmann verlangte, war ein unternehmerisches Leben, das nicht risikofrei ist und auch nicht bequem, so Lotter.

Gerade für Führungskräfte sollte dies ein erstes Warnsignal sein, nicht auf jeden Trend aufzuspringen, der unter dem Begriff New Work propagiert wird. Sei es wie es wolle, die Ur-Gedanken von Bergmann erleben gegenwärtig ein Revival.
Was wurde aus New Work gemacht?
Inzwischen nehme ich, in Anlehnung an den NewWork MeinungsMonitor vom Februrar 2020, vier Strömungen wahr, die sich alle unter dem Mantel New Work verbergen:
- Hierarchiefreies bzw. -armes Arbeiten (36,11%): In schöne Regelmäßigkeit beschwören immer neue Propheten flache Hierarchien bis hin zu deren Abschaffung. Um nur einige Schlagworte zu nennen: Teal, Agil und Holacracy.
- Selbstorganisation und Eigenverantwortung (83,33%): Anstelle weniger Hierarchie soll es mehr abteilungsübergreifendes, teamorientiertes Arbeiten geben. Takeuchi und Nonaka sprechen von self-organizing project teams.
- Purpose-orientiertes Arbeiten (47,22%): Weniger Hierarchie, mehr Team, heißt auch die Verantwortung muss auf mehrere Schultern verteilt werden. Deshalb ergänzt Laloux selbstorganisierten Teams mit Sinn und Zweck als Leitstern.
- Reduzierung von Regeln (39,81%): Hier ist vor allem ortsunabhängiges und zeitflexibles Arbeiten gemeint. Aber auch jegliche Form der Reduzierung oder Abschaffung formaler Regeln.
Zwischenfazit: New Work meinte Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung. New Work meint heute weniger Hierarchie und Regeln, dafür mehr Team und Purpose. Heike Bruch zeichnet diese Entwicklung bei den SRF Sternstunden gut nach.
Was ist neu an New Work?
Nichts!Peter F. Drucker brachte es bereits 1977 wie folgt auf den Punkt: “In the ten years between 1910 and 1920 (..) every single one of the great themes of management is struck (..) . And almost everything that we have done since then, in theory as well as in practice, is only a variation and extension of the themes first heard during that decade”
Wie schon der Titel des Buches Sisyphos im Management: Die vergebliche Suche nach der optimalen Organisationsstruktur zeigt, gibt es keine optimale Organisationsstruktur. Vielmehr kauen wir mindestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder dieselben Themen durch.
Selbst New Work Vorreiter Mark Poppenborg erkennt selbstkritisch: „Denn New Work vergaloppiert sich zunehmend zum zahnlosen Humanisierungsapell.“ Wohland, Poppenborgs Lehrmeister, setzt noch einen oben drauf: „New Work löst kein Problem sondern bedient die Angst vor dem Scheitern. New Work ist damit eine Mode von vielen.“
Hierarchie vs Selbstorganisation
Vermutlich kauen wir dieselben Themen immer wieder durch, weil wir im Entweder-Oder Modus denken. Entweder Hierarchie oder Selbstorganisation. Dabei haben beiden Organisationsprinzipien ihre Vor- und Nachteile.
Hierarchie hat die wunderbare Eigenschaft endlose Diskussion per Chef-Entscheid bzw. formale Macht für beendet zu erklären. Auch gegen den Willen des Mitarbeiters. Das gibt Sicherheit, Orientierung und Handlungsfähigkeit.
Gleichzeitig gibt es Situationen, wo alle ihre Köpfe zusammenstecken müssen, um einen Sonderlösung zu entwickeln. Hier ist man auf die Ideen der Mitarbeiter angewiesen, auch wenn die Koordination bedeutend schwieriger ist.
Das heißt es braucht beides und damit ein Sowohl-Als-Auch denken. Die Frage an dieser Stelle ist eine Andere. Können wir beides gleichzeitig? Ich dachte z.B. das Thema Projektmanagement ist erledigt. Dabei ist das Thema aktuelle denn je.
Vermutlich weil wir uns eben in der Hierarchie wohler fühlen. Hierarchen sorgen dafür, dass die Aktionen vieler autonomer Leute nach bestimmten vorgegeben Spielregeln (Entscheidungsprämissen) koordiniert werden, so Simon.
FAQ zu New Work
Fazit
Ist New Work alter Wein in neuen Schläuchen? Diese Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Wie kommen wir aus der Spirale heraus uns immer wieder mit altem Mist zu beschäftigen? Indem wir lernen im Sowohl-Als-Auch-Modus zu denken. Wir brauchen Hierarchie zur Koodination, vermutlich in 80% der Fälle. Wir brauchen aber auch Selbstorganisation, z.B. in Form von Projektmanagement, vermutlich in 20% der Fälle.
Dr. Patrick Fritz
Kommentar verfassen