Mit New Work wird wieder einmal eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Das Schöne daran? New Work ist inzwischen ein Begriff ohne definierten Inhalt. Jeder interpretiert hinein was er möchte. Dazu mehr in diesem FRITZ Tipp.
Was war New Work?
New Work geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann in den 70er Jahren zurück. Sein Interesse gilt der Frage nach der Freiheit des Menschen, die durch Arbeit stark eingeschränkt scheint. Dies führt ihn zur Frage: „Was will ich wirklich, wirklich tun?“ Die Antwort liegt für Bergmann in einer Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung .
Wenn man diese 3 S für Wahr nimmt, kommen mir persönlich zumindest Zweifel, ob New Work und ein Angestelltenverhältnis wirklich zusammenpassen. Gerade für die Führung sollte dies ein erstes Warnsignal sein, nicht auf jeden Trend aufzuspringen, der unter diesem Begriff propagiert wird. Sei es wie es wolle, diese Ur-Gedanken erleben gegenwärtig ein Revival.
Was wurde aus New Work gemacht?
Inzwischen nehme ich, in Anlehnung an Prof. Dr. Stefan Kühl und diverse Umfragen, vier Strömungen wahr, die sich alle unter dem Mantel New Work verbergen:
- Abbau von Hierarchie: In schöne Regelmäßigkeit beschwören immer wieder neue Autoren flache Hierarchien bis hin zu deren Abschaffung. Um nur einige Schlagworte zu nennen: Teal, Agil, Holacracy und Teamisierung.
- Auflösung von Abteilungen: Anstelle weniger Hierarchie soll es mehr abteilungsübergreifendes, prozessorientiertes Arbeiten geben. Takeuchi und Nonaka sprechen von self-organizing project teams. Laloux ergänzt diese selbstorganisierten Teams mit Sinn und Zweck.
- Verteilung von Verantwortung: Weniger Hierarchie, mehr Team, heißt auch die Verantwortung muss auf mehrere Schultern verteilt werden. Selbstorganisation und Eigenverantwortung rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung.
- Reduzierung von Regeln: Hier ist vor allem ortsunabhängiges und zeitflexibles Arbeiten gemeint. Aber auch jegliche Form der Reduzierung oder Abschaffung formaler Regeln.
Was ist neu an New Work?
Nichts!
Peter F. Drucker brachte es bereits 1977 wie folgt auf den Punkt: “In the ten years between 1910 and 1920 (..) every single one of the great themes of management is struck (..) . And almost everything that we have done since then, in theory as well as in practice, is only a variation and extension of the themes first heard during that decade”
Wie schon der Titel des Buches „Sisyphos im Management: Die vergebliche Suche nach der optimalen Organisationsstruktur“ zeigt, gibt es keine optimale Organisationsstruktur. Vielmehr kauen wir mindestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts die immer wieder selben Themen durch.
Selbst der New Work Vorreiter Mark Poppenborg erkennt selbstkritisch: „Denn New Work vergaloppiert sich zunehmend zum zahnlosen Humanisierungsapell.“ Vielleicht spüren wir es nur nicht, weil wir dem Kinde immer wieder einen neuen Namen geben?
Hierarchie vs Selbstorganisation
Vermutlich kauen wir dieselben Themen immer wieder durch, weil wir im Entweder-Oder Modus denken. Entweder Hierarchie oder Selbstorganisation. Dabei haben beiden Organisationsprinzipien ihre Vor- und Nachteile.
Hierarchie hat die wunderbare Eigenschaft endlose Diskussion per Chef-Entscheid bzw. formale Macht für beendet zu erklären. Auch gegen den Willen des Mitarbeiters. Das gibt Sicherheit, Orientierung und Handlungsfähigkeit. Gleichzeitig gibt es Situationen, wo alle ihre Köpfe zusammenstecken müssen, um einen Sonderlösung zu entwickeln. Hier ist man auf die Ideen der Mitarbeiter angewiesen, um zu einer Lösung zu kommen.
Das heißt es braucht beides und damit ein Sowohl-Als-Auch denken. Die Frage an dieser Stelle ist eine Andere. Können wir beides gleichzeitig? Ich dachte z.B. das Thema Projektmanagement ist erledigt. Dabei ist das Thema aktuelle denn je. Vermutlich weil wir uns eben in der Hierarchie wohler fühlen. Hierarchen sorgen dafür, dass die Aktionen vieler autonomer Leute nach bestimmten vorgegeben Spielregeln koordiniert werden, so Simon. Durch Selbstorganisation ist diese Koordination bedeutend schwieriger und führt nicht selten zur Zentralisierung von Entscheidungen.
Fazit – New Work
Ist New Work alter Wein in neuen Schläuchen? Diese Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Wie kommen wir aus der Spirale heraus uns immer wieder mit altem Mist zu beschäftigen? Indem wir lernen im Sowohl-Als-Auch-Modus zu denken. Wir brauchen Hierarchie zur Koodination, vermutlich in 80% der Fälle. Wir brauchen aber auch Selbstorganisation, z.B. in Form von Projektmanagement, vermutlich in 20% der Fälle.
Dr. Patrick Fritz
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