Das Nachrichtenquadrat nach Schulz von Thun ist eines seiner zentralen Kommunikationsmodelle. Wenn nicht sogar das zentrale Modell seines Lebenswerks, der Sammelband „Miteinander reden„. Dieser Beitrag beschreibt das Nachrichtenquadrat anhand von Beispielen und zeigt Folgen für die Führungsarbeit auf.
Inhalt
Was ist das Nachrichtenquadrat?
Das 1981 erstmals publizierte Nachrichtenquadrat ist ein Kombinationsprodukt aus dem Organon-Modell nach Karl Bühler (Symbol, Symptom, Appell) ergänzt um die Unterscheidung von Inhalts- und Beziehungsebene nach Paul Watzlawick.
Mit dem Nachrichtenquadrat kann analysiert werden, was jemand von sich gibt und was beim anderen ankommt. Dabei unterscheidet Schulz von Thun vier Seiten einer Nachricht: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis und Appell.
Das heißt, ein und dieselbe Nachricht enthält gleichzeitig mehrere Botschaften. Anders ausgedrückt, wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam.
Vier Seiten einer Nachricht
Die 4 Seiten einer Nachricht oder 4 Ebenen der Kommunikation sind:
Sachinhalt oder Sachebene
Mit jeder Nachricht soll ein gewisser Sachverhalt vermittelt werden. Die nackten Zahlen, Daten und Fakten der Kommunikation, wenn man so will. Auf dieser Ebene stellt sich die Frage, wie kann ich den zu vermittelnden Sachverhalte klar und verständlich mitteilen.
Beziehungsseite oder Beziehungsebene
Je nachdem wie ich meine Mitmenschen anspreche, bringe ich neben dem Sachinhalt auch zum Ausdruck was ich von ihnen halte. Spreche ich unterwürfig oder überheblich? Vertrauensvoll oder distanziert? Wenn ich mit jemand spreche, drücke ich auch die Art unsere Beziehung aus.
Selbstoffenbarung oder Selbstkundgabe
Wenn einer etwas von sich gibt, gibt er immer auch etwas von sich preis. Das kann sowohl explizit als Ich-Botschaft erfolgen, aber auch implizit. Was bin ich für einer? Was ist mir wichtig? Auf was lege ich besonders Wert? Erzähle ich gerne von meinem tollen Job oder spreche ich lieber über meine Familie?
Appell
Wenn einer etwas von sich gibt, will er in der Regel auch etwas beim Gegenüber bewirken. Das kann sowohl eine direkte Aufforderung sein, als auch ein Wunsch der indirekt mitgeteilt wird. Damit sind wir auch bei der Relevanz des Nachrichtenquadrats für die Führung angelangt.
Vier Ohren einer Nachricht
Als wäre das mit den vier Seiten, Ebenen oder Schnäbeln noch nicht genug, verfügt der Empfänger der Nachricht über vier Ohren. Es hängt also davon ab mit welchem Ohr der Empfänger gerade hin hört. Für jeden Aspekt einer Nachricht ergeben sich somit aufseiten des Senders und des Empfängers Möglichkeiten zum Missverständnis.
Ich kann der Ansicht sein, mich klar und deutlich ausgedrückt zu haben. Nach dem Verständnis des Empfängers aber einfach nur blödes Zeug geredet haben. Ich kann meinen, eine freundliche Bitte geäußert zu haben. Aufseiten des Empfängers jedoch Verärgerung über meinen Tonfall auslösen. Schulz von Thun illustriert diesen Sachverhalt an zahlreichen Beispielen, die mitten aus dem Leben gegriffen sind.
Das klassische Nachrichtenquadrat Beispiel
Das wohl bekannteste Beispiel von Schulz von Thun ist das Paar im Auto vor der Ampel. Die Frau sitzt am Steuer, und der Mann sagt „Du, da vorne ist Grün!“ Die Frau antwortet: „Fährst Du oder fahre ich!?“. Erkennst du die vier möglichen Botschaften?
Analysieren wir die vier möglichen Botschaften, hinter der Aussage „Du, da vorne ist Grün!“:
- Sachinhalt: Ampel ist grün.
- Beziehung: Du brauchst meine Hilfestellung.
- Selbstoffenbarung: Ich habe es eilig.
- Appell: Gib Gas!
Je nachdem mit welchem Ohr die Frau am Steuer hinhört, ergeben sich vollkommen unterschiedliche Botschaften, die zu einem entsprechenden Missverständnis führen können. Die Antwort „Fährst Du oder fahre ich!?“ lässt vermuten das die Frau mit dem Beziehungs-Ohr besonders stark hingehört hat.
Schulz von Thun Beispiel aus der Erziehung
Jeder der Kinder hat kennt folgendes Beispiel für das Nachrichtenquadrat nur zu gut. Die Tochter ist auf dem Weg nach draußen zum Spielen und die Mutter ruft ihr nach: „Und zieh Dir eine Jacke über, es ist kalt draußen!“.
Die Botschaft der Mutter, „Und zieh Dir eine Jacke über, es ist kalt draußen!“, enthält zeitgleich vier Botschaften, ob sie will oder nicht:
- Sachinhalt: Es ist kalt draußen!
- Beziehung: Allein wirst Du die richtige Entscheidung nicht treffen können.
- Selbstoffenbarung: Ich bin um Deine Gesundheit besorgt.
- Appell: Zieh eine Jacke an!
Die Tochter ignoriert die Botschaft der Mutter und stürmt zu Tür hinaus. Wie bereits im ersten Beispiel, hört die Tochter nur auf dem Beziehungs-Ohr und fühlt sich wie ein kleines Kind behandelt. Die typisch trotzige Antwort, „ist doch gar nicht kalt“, deutet auf einen Konflikt auf der Sachebene hin, den es dort gar nicht gibt.
Das Nachrichtenquadrat beim Mittagessen
Ein Ehepaar beim Mittagessen. Er sagt: „Was ist das Grüne in der Soße?“. Sie erwidert: „Mein Gott, wenn es Dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“. Auch dieses Spiel kennt jeder von uns in unendlich vielen Varianten. Doch was steckt dahinter?
Stellen wir nun die gesendete und empfangene Nachricht auf den verschiedenen Ebenen gegenüber:
Gesendete Nachricht (Mann) | Empfangene Nachricht (Frau) | |
Sachinhalt | Da ist was Grünes | Da ist was Grünes |
Beziehung | Du wirst es wissen | Du bist eine miese Köchin! |
Selbstoffenbarung | Ich weiß nicht, was es ist. | Mir schmeckt das nicht. |
Appel | Sag mir, was es ist! | Lass nächstes Mal das Grüne weg! |
Auch in diesem Fall hört die Frau auf dem Beziehungs-Ohr und bekommt zu hören, dass Sie eine miese Köchin ist. Der Mann wollte nur wissen was das Grüne ist, weil er Kapern nicht kennt. Das daraus resultierende Missverständnis hat also nichts mit Geschlechterklischees zu tun, sondern einzig und allein mit den Eigenheiten von Kommunikation.
Wie soll ich nun richtig kommunizieren?
Im Buch Kommunikation als Lebenskunst, unterscheidet Schulz von Thun zwischen einer Sensibilisierungsübung und einer Verhaltensempfehlung. Das Nachrichtenquadrat fällt klar in erste und nicht in die zweite Kategorie.
D.h. das Nachrichtenquadrat gibt keine Anleitung oder Kochrezept. ABER das Nachrichtenquadrat hilft typische Alltagssituationen zu analysieren und rauszufinden, wo der „Fehler“ in der Kommunikation liegt.
Diese Analyse kann durch explizite Metakommunikation stattfinden. Damit ist Kommunikation über die Kommunikation gemeint. Wir sprechen also darüber, wie wir miteinander sprechen. Dabei unterstützt uns das Nachrichtenquadrat als Wahrnehmungshilfe.
Wenn es also zu einem belastenden Gespräch kommt, kann es hilfreich sein in den Metamodus zu schalten. Du, was passiert hier gerade zwischen uns? Was willst du mir auf der Sachebene sagen? Was schwingt auf der Beziehungsebene mit?
Beim letztgenannten Beispiel zum Nachrichtenquadrat beim Mittagessen könnte also helfen, dass der Mann glaubhaft darstellt keine Kapern zu kennen. Oder dass die Frau offen ausspricht was bei ihr ankommt, nämlich eine schlechte Köchin zu sein.
Was sind die Folgen für die Führungsarbeit?
Für Führungskräfte bedeutet dies, dass das Geben und Empfangen von konstruktivem Feedback mit einer Bewusstwerdung über die zugrundeliegenden Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster einhergehen muss.
Feedback geben wir einander ohnehin unablässig. Beispielsweise durch ein Kopfschütteln, ein Lächeln, oder das Verdrehen der Augen. In der Mitarbeiterführung kann Feedback dagegen bewusst zur Verhaltensänderung eingesetzt werden.
Möglich ist dies allerdings nur in einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und Respekts. In Mitarbeiterbesprechungen sollten für Feedbackrunden daher Regeln aufgestellt werden, an die sich alle Beteiligten zu halten haben. Dazu gehört, dass das Feedback nicht wertend, sondern beschreibend erfolgt.
Fazit – Nachrichtenquadrat nach Schulz von Thun
Mit dem Nachrichtenquadrat führt Schulz von Thun die Gedanken von Watzlawick (Inhalt vs. Beziehung) und Karl Bühler (Ausdruck, Appell und Darstellung) zusammen. Damit ermöglicht er uns Nachrichten als Gegenstand der Kommunikationsdiagnose zu begreifen. Wie wir miteinander reden, sagt wie wir zueinander stehen.
Führungskräfte sollten das Nachrichtenquadrat kennen und nutzen, weil dieses gedankliche Werkzeug dabei hilft, klarer im Dickicht der zwischenmenschlichen Beziehungen zu sehen. Gleichzeitig kann die Richtung von Interventionen besser bestimmt werden.
Dr. Patrick Fritz
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