Steigern Obstkörbe, Espresso-Maschinen und kostenfreie Massagen die Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Leistungsbereitschaft? Workshops im Rahmen der Führungskreise Produktion und Personal haben mich angeregt, den Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit (job satisfaction) und Leistungsbereitschaft (job performance) in diesem FRITZ Tipp genauer zu beleuchten.
Was ist Mitarbeiterzufriedenheit?
Mitarbeiterzufriedenheit beschreibt, wie zufrieden oder unzufrieden Mitarbeiter:innen mit ihrer Arbeit, ihrem Arbeitsumfeld und dem Unternehmen sind, für das sie arbeiten.
Quelle: Great Place to Work 2022
Mitarbeiterzufriedenheit gilt als ein wichtiger Indikator für freiwilliges Engagement, Gesundheit, An-/Abwesenheit, Bewerbungen und Bindung zum Unternehmen.
Mitarbeiterzufriedenheit ist ein wichtiger Faktor, aber kein Indikator für die Leistungsbereitschaft. Hier geschieht eine Verwechslung von Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterengagement.
Dennoch beruhen viele vermeintliche Lösungsansätze auf der Hypothese: Je zufriedener der Mitarbeiter, desto höher die Leistungsbereitschaft.
Was ist Leistungsbereitschaft?
Wenn man ein wenig tiefer gräbt, kann man die Hypothese sogar noch verfeinern: Je selbst bestimmter der Mitarbeiter, desto zufriedener der Mitarbeiter, desto höher die Leistungsbereitschaft.
Die Leistungsbereitschaft spiegelt wider, in welchem Ausmaß der Mitarbeiter unter den gegebenen Arbeitsbedingungen bereit und in der Lage ist, seine (körperlichen und geistigen) Fähigkeiten einzusetzen und seine Leistungspotentiale (für ein bestimmtes Ziel) auszuschöpfen.
Quelle: Schulte-Zurhausen 1995
Jeder der sich in seinem Leben mit empirischer Sozialforschung beschäftigt hat, ahnt bereits wie schwierig es ist, solche Zusammenhänge zu beweisen. Landy spricht in diesem Zusammenhang vom „Heiligen Gral“ der Organisationspsychologie. Ich versuche mich trotzdem der Sache anzunähern.
Mitarbeiterzufriedenheit UND Leistungsbereitschaft?
Bei Ansätzen wie Organisationsentwicklung, Holacracy oder New Work gehen Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft Hand in Hand. Die zugrundeliegende Annahme lautet also, wenn A dann B:
Organisationsentwicklung
Organisationsentwicklung (OE) ist als Gegenbewegung zu den Konzepten des Taylorismus entstanden, die auf strikte Arbeitsteilung setzen. Dem Human Relations Ansatz folgend, ist die Humanisierung des Arbeitslebens für alle Organisationsmitglieder ein Ziel der OE. Folgerichtig ist das oberste Prinzip der OE, die aktive Beteiligung der Führungskräfte und Mitarbeiter an Veränderungsvorhaben. Sehr flapsig formuliert lautet die Grundannahme der klassischen OE:
Geht es den Menschen gut – geht es der Organisation gut. Menschen geht es gut, wenn Sie beteiligt werden.
Holacracy
Holacracy ist ein von Brian Robertson entwickeltes Organisationsmodell, das auf die Soziokratie nach Gerard Endenburg zurückgeht. Dabei wird die Autorität, die sonst bei Führungskräften liegt, auf Kreise verteilt. Dadurch sollen Entscheidungen „mit durch alle Ebenen hindurch gewünschter Transparenz und partizipativen Beteiligungsmöglichkeiten“ ermöglicht werden. Auch hier lautet die Grundannahme:
Partizipation führt zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit und mehr Leistungsbereitschaft.
New Work
New Work geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Sein Interesse gilt der Frage nach der Freiheit des Menschen, die durch Arbeit stark eingeschränkt scheint. Diese Gedanken erleben gegenwärtig einen Hype, da die zunehmende Automatisierung durch Digitalisierung mehr Menschen zur Frage führt: „Was will ich wirklich, wirklich tun?“
Die Antwort liegt für Bergmann in einer Kombination aus Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung. Selbstbestimmung in der Arbeitswelt bedeutet in der Folge, Abbau von strengen Hierarchien und Arbeitsteilung. Arbeit in Projekten und Netzwerken. Freiräume zur Persönlichkeitsentwicklung. Auch hier lautet die Grundannahme:
Selbstbestimmte Mitarbeiter sind zufriedene Mitarbeiter, die motivierter, produktiver und kreativer arbeiten.
Mitarbeiterzufriedenheit ODER Leistungsbereitschaft?
Je länger ich mich mit Ansätzen wie Organisationsentwicklung, Holacracy oder New Work beschäftige, desto größer werden meine Zweifel beim Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft. Dabei geht es nicht nur mir so:
Empirische Forschung
Berner formuliert meine Zweifel treffend, „Führt mehr Mitarbeiterzufriedenheit tatsächlich zu mehr Leistungsbereitschaft? (..) Oder könnte es sogar umgekehrt sein: Dass eine bessere Leistung zu mehr Zufriedenheit führt?“
Forschungen von Perrow oder Scheffer zu Zusammenhängen zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Beteiligung der Mitarbeiter und ihrer Produktivität, zeigen keine oder sogar negative Ergebnisse.
Eine breit angelegt Metastudie von Judge, Thoresen, Bono und Patton sieht mit 0,18 eine geringe Korrelation zwischen job satisfaction und job performance. Nach Korrektur der Ergebnisse landen sie mit 0,3 bei einer mittleren Korrelation:

Im gleichen Atemzug legen sie aber auch offen das die Ergebnisse hinsichtlich Mitarbeiterzufriedenheit inkonsistent sind: „If there is little relationship between job satisfaction and job performance, then there can be no direct causal effect of satisfaction on performance or performance on satisfaction, nor can there be a reciprocal relationship nor would there be a correlation that could be spurious.“
Brian Robertson
Brian Robertson wird bei einem Google-Talk nach den signifikanten Outcomes einer Holacracy Implementierung gegenüber einer traditionellen Organisation befragt (32:36) und kann dazu selbst keine „hard numbers“ liefern. Sondern verweist auf die eigene Erfahrung, ob es leichter oder schwerer ist, seine Stimme für Veränderungen einzubringen. Das Ziel scheint also mehr Selbstbestimmtheit zu sein, anstelle besserer Leistungsbereitschaft.
Mark Poppenborg
Mark Poppenborg, einer der Vorreiter der New Work Bewegung, bring es wie folgt auf den Punkt, „Wir sollten uns von den ganzen Mitarbeiter-Bespaßungsprogrammen, den ganzen Kultur-Entwicklungsprogrammen verabschieden. (..) Das feiern von New Work Werten bringt nichts. (..) Wir müssen Wertschöpfungshygiene betreiben (..) und die Leute nicht von der Arbeit abhalten. Wenn man sich nicht um die Mitarbeiterzufriedenheit und die Kultur kümmert, sondern um die Wertschöpfung, stellt sich meistens eine höhere Zufriedenheit und eine bessere Kultur ein.“
Jörg Staff
Jörg Staff, CHRO des Jahres 2021, berichtet im Good Work Podcast über die Transformation zur agilen Organisation bei Atruvia. Dabei wird klar, die Mitarbeiterzufriedenheit hat sich exponentiell gesteigert, in der Leistungsdimension hat sich wenig getan:
Fazit – Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft
Trotz jahrzehntelanger Forschung liefert uns die Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft keine eindeutigen Antworten. Was können wir daraus lernen? Maßnahmen zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, wie z.B. mehr Selbstbestimmung, führen nicht grundsätzlich zu besserer Leistung.
Vor diesem Hintergrund sind Lösungsansätze wie Organisationsentwicklung, Holacracy, New Work oder Purpose riskante Wetten, um über das Stellrädchen Selbstbestimmung eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und schlussendlich bessere Leistungsbereitschaft zu erhalten.
Alternativ bietet sich gute Führung durch reife Führungskräfte an. Für mich der zentrale Schlüssel zur Steigerung von Leistungsbereitschaft und Mitarbeiterzufriedenheit in Unternehmen. Nicht umsonst gilt der Spruch, „Mitarbeiter verlassen nicht das Unternehmen, sondern die Führungskraft“.
Dr. Patrick Fritz
Lieber Patrick, vielen Dank für das Teilen Deiner Gedanken und Schlussfolgerungen zum Thema OE. Was ist denn das Ziel hinter der Leistung, die mehr oder überhaupt erbracht werden soll? Geht es ausschließlich um den produktiven und schließlich monetären Effekt für die Firma, den Chef? Oder gibt es noch andere Motive hinter der Leistung, die durchaus erbracht werden soll. Ich denke darüber nachzudenken macht Sinn, denn Sinn in der eigenen Tätigkeit zu sehen und zu haben ist ein wichtiges Motiv zur Leistungserbringung – und zwar nachhaltig. Auch im Gefängnissteinbruch geht es nur um Leistung – aber wollen wir dort arbeiten?
Ein klares, motivierendes und gesellschaftlich wertvolles „Warum“ für die eigene Leistung/Tätigkeit zu finden oder zu entwickeln ist in meinen Augen eine klassische und sinnvolle Aufgabe und wichtiger Teil der OE. Dies führt zu selbstbestimmten, nach Werten und Zielvorgaben handelnden Mitarbeitern und Führungskräften, die auch gerne Leistung erbringen. Davon bin ich überzeugt.
Liebe Grüße aus dem Allgäu, Alfred Essenwanger
Liebe Alfred, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Auch für die zahlreichen Zuschriften die ich per Mail bekommen habe. Offensichtlich handelt es sich um ein sehr kontroverses Thema, wie die Wortwahl „Gefängnissteinbruch“ oder „Werbeslogan der Wirtschaftskammer“ zeigt. Diese Kommentare gehen am Punkt den ich machen möchte vorbei.
In meiner Praxis erlebe ich häufig eine unreflektierte Anwendung von diversen Maßnahmen wie z.B. Organisationsentwicklung. Weil man glaubt das Beteiligung gut ist, Mitarbeiter dadurch zufriedener werden und im Endeffekt bessere Resultate liefern. Da ich diesen Zusammenhang aber in meiner Praxis weder erlebe, noch empirisch nachweisbar ist, wäre es „ehrlicher“ zu sagen, das ist mein Menschenbild oder meine Werthaltung und darum handle ich so und nicht anders – ohne mit dem Scheinargument besserer Leistung daher zu kommen.
Mit meinem Beitrag plädiere ich im Kern für ein reflektiertes Vorgehen. Was ist das Problem das ich lösen möchte? Welche Lösungsoptionen stehen mir zur Verfügung? Was davon kommt für mich überhaupt in Frage? Wenn man diese Fragen für sich nicht klar hat, entstehen sinnbefreite Hochglanzbroschüren, die in der Schublade verschwinden.
Beste Grüße
Patrick