Die Limbic Map nach Hans-Georg Häusel und seine Aussage im Buch Think Limbic! hat mich neugierig gemacht: „Die wichtigste und am häufigsten zitierte Motivationstheorie im Management ist die Maslow Pyramide. Doch sie hat einen Nachteil: Sie ist falsch.“ Ich liebe solche Provokationen und habe ich mir die Limbic Map für die Teilnehmer der Führungskreise B2B-Marketing und Vertrieb genauer angesehen.
Inhalt
Was ist die Limbic Map?
Die Limbic Map ist ein Modell der grundlegenden Emotionen eines Menschen. Die wichtigsten Emotionssysteme im Gehirn sind: Stimulanz, Dominanz und Balance. Sowie die Submodule Fürsorge, Bindung, Sexualität, Schlaf und Nahrung. Die nachfolgende Abbildung zeigt diese Emotionssysteme im Überblick:

Die Emotionssysteme nach Häusel sind wissenschaftlich abgesichert, wie hier auf Seite 40 detailliert nachzulesen ist. Das Stimulanz-System lässt sich mit dem Neurotransmitter Dopamin begründen. Beim Dominanz-System spielt Testosteron eine wichtige Rolle. Beim Balance-System bringt die Neurochemie Serotonin ins Spiel.
Ähnlich argumentieren Roth und Cierpka mit dem 4 Ebenen Modell der Persönlichkeit und unterstreichen damit Häusels Erkenntnisse. Auf der untersten limbischen Ebene befinden sich angeborene Reaktionsmuster und Urängste. Das durch Dopamin angetriebene Stimulanz-System der Limbic Map, wird dort Bewertungs- und Belohnungs-System genannt. Ebenso findet das Dominanz-System mit dem Stress-System und das Balance-System mit der Impulskontrolle sein Pendant.
Limbic Map | 4 Ebenen Modell | |
Dopamin | Stimulanz | Bewertungs- und Belohnung |
Testosteron | Dominanz | Stress |
Serotonin | Balance | Impulskontrolle |
Wie funktioniert die Limbic Map?
Die drei primären Emotionssysteme Stimulanz, Dominanz und Balance haben sowohl eine belohnende als auch eine bestrafende Seite, wie folgende Abbildung zeigt:




Wer durch seine Erlebnisse auf das Emotionssystem Dominanz in Form von Testosteron einzahlt, empfindet Stolz, ein Siegesgefühl und hohes Selbstwertgefühl. Wer hingegen eine Auszahlung tätigen muss, indem er womöglich gekränkt wird, empfindet Ärger, Wut und Machtlosigkeit.
Optimales Verhalten bedeutet vor diesem Hintergrund: Minimierung der emotional negativen Konsequenzen (z.B. Unsicherheit, Angst und Stress) und Maximierung der emotional positiven Konsequenzen (z.B. Geborgenheit, Sicherheit und Stabilität) .Der Grundgedanken der Limbic Map findet sich bereits bei Baruch de Spinoza (1632-1677), später bei Sigmund Freud (1856-1939): „Wir streben danach, Freude zu erlangen und Trauer zu vermeiden. Als vorstellungsbegabte Wesen lieben wir die Dinge, von denen wir erwarten, dass sie uns Freude machen, und hassen jene, die Trauer auslösen.“
Was motiviert Menschen nach Limbic?
Das optimale Verhalten lässt erahnen, was Menschen motiviert. Je nach Sollwert des einzelnen Emotionssystems, versucht jeder Mensch mehr oder weniger motiviert auf Dominanz, Stimulanz und Balance Einzahlungen zu tätigen und Auszahlungen zu vermeiden.
Häusel folgend, befinden wir uns bei diesen Ein- und Auszahlungsvorgängen in einem Autopilot-Modus, den wir zumindest kurzzeitig bewusst umgehen können. Ganz ähnlich der Diskussion um System 1 und System 2 nach Kahneman in der Verhaltensökonomie:
Der Mensch hat für seine Entscheidungen zwei Systeme zur Verfügung. Einerseits das „System Bauch“ (System 1), das schnell, intuitiv und impulsiv entscheidet und uns wie ein Autopilot leitet. Andererseits das „System Kopf“ (System 2), das gründlich analysiert und Vor- und Nachteile rational bewerten kann. Das System 2 ist langsam und die Nutzung vergleichsweise anstrengend. Die meisten Entscheidungen werden deshalb von System 1 getroffen. Nur selten wird System 2 eingeschaltet.




Der Autopilot-Modus liefert der Aussage von Sprenger, man kann Menschen nicht motivieren, nur demotivieren, einen wahren Kern. Man kann Menschen nicht motivieren, sie sind es bereits (siehe auch Nudging). Mit den Worten von Häusel strebt der Mensch nach der Erfüllung seiner Emotionssysteme.
Wenn nun von außen Anreize gesetzt werden, die auf die Emotionssysteme einzahlen, wird man auf Resonanz im Sinne von Motivation stoßen. Egal wie irrational das Verhalten auch erscheinen mag. Wenn der Sollwert hinsichtlich Dominanz hoch ist, werden Status und Macht motivieren. Vermutlich auch Geld als Zeichen für Status und Macht.
Limbic trifft Maslow Pyramide
Da die drei großen Emotionssysteme meist zugleich aktiv sind, gibt es Mischungen. Auf der Limbic Map werden diese Mischformen als Werte ausgewiesen. Die Mischung aus Dominanz und Stimulanz ergeben z.B. Abenteuer und Thrill. Balance und Dominanz im Doppelpack ergeben Disziplin und Kontrolle. Diese Mischungen lassen in einem sogenannten Werteraum darstellen:




Viele der von Maslow genannten Bedürfnisse des Menschen lassen sich nun 1:1 der Limbic Map zuordnen. Physiologische Bedürfnisse laufen unter den Submodulen Schlafen und Nahrung. Sicherheit ist ein anderes Wort für Balance. Soziale Bedürfnisse finden sich unter Bindung und Fürsorge wieder.
Maslow | Limbic |
Physiologische Bedürfnisse | Submodule Schlaf, Nahrung, Sexualität |
Sicherheitsbedürfnisse | Balance = Sicherheit |
Soziale Bedürfnisse | Balance = Bindung, Familie, Freundschaft |
Individualbedürfnisse | Dominanz |
Selbstverwirklichung | Stimulanz |
Damit liefert die Limbic Map durch die drei Emotionssysteme und die damit einhergehenden neurochemischen Botenstoffe eine tiefergehende Erklärung für die Bedürfnisse von Menschen nach Maslow.
Liegt Maslow mit seiner Bedürfnispyramide nun falsch? Jein! Die aufgezeigten Bedürfnisse sind auch in Häusels‘ Werteraum wieder zu finden. Allerdings erklärt die Limbic Map die Grundlage der Bedürfnisse durch die im menschlichen Hirn verbaute Hardware, was das Modell gerade für Vertrieb und Marketing spannend macht.
Zielgruppensegmentierung mit Limbic Types
Für Führungskräfte aus Vertrieb und Marketing ist die neuropsychologische Zielgruppensegmentierung von besonderem Interesse. Häusel unterscheidet für limbisches Marketing sieben Limbic Types. Jeder Limbic Type hat andere Werte die ihm besonders wichtig sind:
- Harmoniser (30%): Familie, Geborgenheit, Harmonie und Fürsorge.
- Traditionalist (19%): Tradition, Bescheidenheit, Ordnung und Konstanz.
- Disziplinierte (11%): Genügsamkeit, Vernunft, Disziplin und Präzision.
- Performer (9%): Ehrgeiz, Erfolg, Zielstrebigkeit und Status.
- Abenteurer (6%): Risikofreude, Autonomie, Impulsivität und Rebellion.
- Hedonist (13%): Neugier, Spontanität, Spaß und Kreativität.
- Offene (12%): Wohlfühlen, Genuss, Offenheit und Fantasie.
Die Limbic Types lassen sich wunderbar auf die Kommunikation mit Kunden übertragen. Beim Performer wird auf die neuesten Technologien hingewiesen, um ihm einen Statusgewinn nahe zu legen. Beim Harmoniser wird auf die Vorteile für ihn und seine Familie fokussiert. Natürlich mit der entsprechenden Bildwelt unterlegt.




Im Kern sollen beim Limbic Marketing über externe Anreize wie Sprache, Bild und Farbe (extrinsische Motivation) unbefriedigte Bedürfnisse frühzeitig aufgeladen werden. Wie Comelli und Rosenstiel zeigen, können durch Situationsgestaltung (z.B. Bier als Anreiz in Form einer roten Linie) bestehende Motive (z.B. Durst oder Geselligkeit in Form einer grünen Linie) intensiver und früher aktiviert werden. Schmidt würde von Priming sprechen:
Limbic Map Farben
Der beschriebene Motivationsmechanismus wird nach Häusel gezielt bei der Gestaltung von Produkten genutzt. Wir kaufen Produkte, um unsere Wünsche zu befriedigen. Hinter diesen Wünschen stehen die Emotionssysteme Stimulanz, Dominanz und Balance. Mit einem Putzmittel soll Ordnung und Sauberkeit erreicht werden, was auf das Balance-System einzahlt.
In diesem Zusammenhang spielt die Farbgebung von Produkten eine wichtige Rolle. Wie würde ein rotes Putzmittel auf dich wirken? Vermittelt das Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit bzw. Balance? Wohl eher nicht! Häusel sieht eine Verbindung zwischen der Limbic Map und ausgewählten Farben:




Vor diesem Hintergrund wäre es empfehlenswert ein Putzmittel mit den Farben grün oder braun zu verknüpfen, was in der Praxis auch gemacht wird. Bitte denke spontan an ein Putzmittel deiner Wahl. Ich denke an die Marke mit dem grünen Frosch.
Limbic Map in der Praxis
Auch bei FRITZ Führungskreise versuchen wir die Erkenntnisse der Limbic Map zu nutzen. Wir haben jedem Führungskreis einen Limbic Type und damit eine Farbwelt zugeordnet:
Führungskreis | Limbic Type | Limbic Map Farben |
Vertrieb | Performer (9%) | Rot-Dunkel |
High Potentials | Performer (9%) | Rot-Hell |
Einkauf | Disziplinierte (12%) | Blau-Dunkel |
Qualitätsmanagement | Disziplinierte (12%) | Blau |
IT | Disziplinierte (12%) | Blau-Hell |
Geschäftsführer | Disziplinierte (12%) | Weiß |
Softwareentwicklung | Harmoniser (28%) | Grün-Dunkel |
Produktion | Harmoniser (28%) | Grün |
Personal | Harmoniser (28%) | Grün-Hell |
B2B-Marketing | Hedonist (13%) | Orange |
Hier kommt für mich der größte Vorteil der Limbic Map zu tragen. Die Diskussionen in Marketing und Vertrieb gehen weg von gefällt mir oder gefällt mir nicht, hinzu richtig oder nicht richtig. Die Limbic Map gibt Orientierung!
Kein Vorteil ohne Nachteil. Wer Kunden segmentiert, schert Menschen über einen Kamm. Das Vertriebler auch Performer sind, könnte gut passen – aber stimmt das wirklich oder wird damit nur eine weitere Schublade bedient?
Was die Sache auch nicht einfacher macht, wer unterschiedliche Limbic Types anspricht, muss jede Kommunikation sprachlich anders gestalten. Was für den Texter super angenehm ist, wird fürs Marketing ungeheuer aufwendig.
Fazit – Limbic Map nach Hans-Georg Häusel
Sämtliche Motive können durch das Zusammenspiel der drei grundlegenden Emotionssysteme Stimulanz, Dominanz und Balance erklärt werden. Dadurch wirkt auch die Maslow zugeschriebene Stufenleiter überholt. Gerade für Marketing und Vertrieb sind die Limbic Types ein spannender Ansatz zur besseren Zielgruppensegmentierung und Optimierung von Marketingstrategien.
Dr. Patrick Fritz
Ein aufmerksamer Leser hat mich darauf hingewiesen, dass die Darstellung der Bedürfnishierarchie in Form einer starren Pyramide Maslow fälschlicherweise zugeschrieben wird. Laut Wikipedia geht die Darstellung als Pyramide mit großer Wahrscheinlichkeit auf Charles McDermid zurück. Auch Werner Correll wird diese Darstellung zugeschrieben.
Danke für den Hinweis!