Nach einem Seminar mit Winfried Berner zum Thema Kulturveränderung möchte ich die für mich wichtigsten Gedanken mit euch in diesem FRITZ Tipp teilen. Wer in die Tiefe steigen möchte, dem sei seine Webseite Die Umsetzungsberatung und sein aktuelles Buch Culture Change herzlich empfohlen.
Unternehmenskultur einfach erklärt
Nach Berner ist Kultur die Menge der Gewohnheiten und Verhaltensweisen einer Organisation, in denen sich eine Organisation von anderen Unterscheidet. Unternehmenskultur noch einfacher erklärt, heißt für mich:
Kultur ist für mich das charakteristische Verhalten einer Organisation. Und damit kommen wir zur Frage, wie das charakteristische Verhalten verändert werden kann. Den Weg dahin nennen wir Kulturveränderung.
Was ist Kulturveränderung?
Kulturveränderung hat zunächst einmal nichts mit Management-Voodoo oder Esoterik zu tun. Es ist ein Projekt wie jedes andere auch, mit dem Ziel Verhaltensmustern, Gewohnheiten oder Überzeugungen in einer Organisation zu verändern. In diesem Sinne ist die Unternehmenskultur nichts anderes, als die Summe der Gewohnheiten einer Organisation.

Die Entwicklung und Gestaltung von Unternehmenskultur sollte nicht als Wohlfühlthema missverstanden werden. Unternehmenskultur ist vielmehr ein quantifizierbares Business-Thema. JA, quantifizierbar! Eine Kulturveränderung muss genauso aufs Geschäft einzahlen wie jedes andere Strategie- oder Strukturprojekt auch. Sonst geht dem Projekt früher oder später die Luft aus.
Wie funktioniert Kulturveränderung?
1. Kulturziele bestimmen
Wenn Unternehmenskultur etwas Quantifizierbares sein soll, gilt es zunächst mit der Geschäftsleitung den ökonomischen Nutzen einer Kulturveränderung auszuleuchten. Dabei stellt sich sehr schnell heraus, ob es sich nur um persönliche Vorlieben handelt oder wirklich Fleisch am Knochen ist. Lieber CEO, um wie viel Prozent verändert sich die Produktivität (Output/Input), wenn die angestrebte Kulturveränderung erfolgreich ist? Hört sich das jetzt sehr theoretisch an? Nur mal zum Nachdenken:
- In welches Geschäft gehst du besonders gerne einkaufen?
- Welche Hotels hast du positiv in Erinnerung?
- Mit welchen Firmen arbeitest du gerne zusammen?
An dieser Stelle geht es sicherlich nicht darum eine bis auf die Kommastelle richtige Prognose abzugeben. Es geht um ein gemeinsames Verständnis darüber, welchen Wert wir der angestrebten Kulturveränderung wirklich zuschreiben. Wenn an dieser Stelle nicht sauber gearbeitet wird, darf man sich nicht wundern, wenn das Projekt bei der nächsten Umsatzdelle sofort ins Wasser fällt. Die Unternehmenskultur muss die Wettbewerbsfähigkeit genauso steigern, wie die beiden anderen Ordnungsmomente Struktur und Strategie:
Erst wenn der Beitrag zum Geschäftserfolg abgeschätzt ist, kann man sich daran machen SMARTe Kulturziele zu definieren. Hierzu eignet sich eine klassische SWOT-Analyse, die für alle Beteiligten leicht verständlich ist. Was sind die Stärken und Schwächen der bestehenden Unternehmenskultur, im Sinne von gemeinsamen Verhaltensweisen. Vor welchen Chancen und Bedrohungen steht das Unternehmen in den kommenden Jahren? Die Ergebnisse der „Unternehmenskultur-SWOT“ werden anschließend gruppiert in nützlich, neutral und hinderlich:
Welche Verhaltensweisen sind nützlich für den Geschäftserfolg und gilt es damit zu bewahren (=Bewahrungsziele)? Welche Verhaltensweisen sind zwar typisch für das Unternehmen, aber nicht erfolgskritisch und damit „neutral“ für den Unternehmenserfolg (=Vermeidungsziele)? Welche Verhaltensweisen stehen dem Unternehmenserfolg tatsächlich im Weg und sind damit als „hinderlich“ einzustufen (=Veränderungsziele).
Nur Verhaltensweisen die als „hinderlich“ erkannt werden, sollen und dürfen verändert werden, denn sie stehen dem Unternehmenserfolg im Wege. Wenn wir diese Punkte anfassen, können wir entweder den Umsatz steigern oder die Kosten senken.
2. IST-Analyse
Auf Basis der definierten Kulturziele (=Bewahrungs-, Vermeidungs- und Veränderungsziele), gilt es die aktuelle Situation zu analysieren. Berner spricht davon die „innere Logik“ des Status Quo zu verstehen. Worin liegen die Gründe für die Ist-Soll-Abweichung? Schließlich gibt es heute für die Mitarbeitenden gute Gründe, sich so zu verhalten wie sie es momentan tun. Hierzu eignen sich Empathie, Interviews und Workshops als Mittel der Wahl. Mögliche Erklärungsmuster für eine „hinderliche“ Unternehmenskultur könnten sein:
- Das für den Unternehmenserfolg hinderliche IST-Verhalten wird direkt oder indirekt belohnt.
- Eigentlich „nützliche“ Verhaltensweisen werden direkt oder indirekt bestraft und sind somit für die Einzelperson nicht sinnvoll.
- Zurückliegende Schlüsselerlebnisse prägen ein ungünstiges Verhalten bis heute, wie z.B. eine beinahe Pleite oder großer Misserfolg.
- Es gelten hinderliche Merksätze die man als Neuling sehr schnell lernt, wie z.B. „Fehler werden bestraft“.
- Ungünstiges Verhalten des Top-Managements wird durch die Mitarbeiter gespiegelt, wie z.B. Zielvorgaben, deren Einhaltung nicht eingefordert werden.
Die so entstehenden Erkenntnisse über die Logik der IST-Kultur werden den Beteiligten z.B. in Form von Thesen zurück gespiegelt und ggf. verfeinert.
3. SOLL-Konzept
Wenn das gegenwärtige Verhaltensmuster ausreichend verstanden ist, muss eine durchgängige Vorgehensweise zur Veränderung entwickelt werden. Man könnte auch von einer Veränderungsstrategie sprechen. Was ist der beste Weg vom IST zum SOLL? Doch welche Stellhebel stehen zur Verfügung?
Berner folgend handeln Menschen aus ihrer subjektiven Sicht immer sinnvoll, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihre Ziele zu erreichen.
Das heißt ein SOLL-Konzept zur Verhaltensänderung muss entweder bei den Zielen und/oder den Rahmenbedingungen ansetzen. Dabei ist wichtig zu betonen, dass nur das Verhalten geändert werden soll, nicht die Einstellung. Einstellungen sind nämlich zum einen nicht zwangsweise an Verhalten gekoppelt. Zum anderen ist der Anspruch Einstellungen bei anderen Menschen ändern zu wollen nicht leistbar.
Die gute Nachricht lautet somit: Man muss nicht den Menschen mit all seinen Einstellungen und Werthaltungen ändern, um eine konkret gewünschte Verhaltensänderung erreichen zu können. Es genügt Ziele und Rahmenbedingungen im Unternehmen so zu verändern, dass die gewünschte Verhaltensweise aus der subjektiven Sicht der Mitarbeiter sinnvoll wird. „Wer die Kultur in einer Organisation ändern will, der muss an ihre Struktur ran“, sagt Stefan Kühl, Organisationssoziologe der Universität Bielefeld.
Das Verhalten der Mitarbeiter lässt sich am besten durch das Verhalten der direkten Führungskraft, sowie die Ziel-, Controlling- und Beurteilungs-Systeme im Unternehmen beeinflussen. Die Rahmenbedingungen des Handelns und die Einsicht in geschäftliche Notwendigkeiten sind weitere wichtige Stellhebel. Zu den Details der Verhaltensänderung empfehle ich den zugehörigen FRITZ Tipp.
4. Umsetzung und Controlling
Der Unterschied zwischen Ernst und Spaß bei der Umsetzung der neuen Unternehmenskultur ist das Zauberwort Controlling. Nur was gemessen wird, wird auch ernst genommen. Deshalb ist es notwendig und sinnvoll die SOLL-Kultur zu beobachtbaren Indikatoren zu verdichten. Welche Verhaltensweisen schließt die SOLL-Kultur ein, welche schließt sie aus. Auf dieser Basis können und müssen sämtliche Steuerungssysteme auf die neue Unternehmenskultur justiert werden. Welche Instrumente sind damit gemeint?
- Führungskräfteauswahl
- Mitarbeiterbefragung
- Vergütungsmodell
- Beförderungspolitik
- Personalentwicklung
- Zielvereinbarungen
- Beurteilungssystem
Bei all diesen HR-Instrumenten muss immer wieder darauf geachtet werden, dass sie der definierten SOLL-Kultur entsprechen. Was bringt es, wenn im Sinn der SOLL-Kultur die falschen Leute befördert werden, die falschen Ziele vereinbart werden oder das falsche Verhalten finanziell belohnt wird?
Fazit – Kulturveränderung
Kulturveränderungen müssen keine fünf Jahre dauern. Wenn das neue Verhalten subjektiv sinnvoll ist, kann eine Veränderung sehr schnell gehen. Damit man nicht wieder ins alte Muster zurückfällt, ist es zwingend notwendig regelmäßig zu überprüfen, ob das angestrebte neue Verhalten auch tatsächlich stattfindet. Gelingende Kulturveränderung braucht auch Kultur-Controlling – so schlimm es sich anhört, so wichtig ist es.
Dr. Patrick Fritz
P.S. Wer glaubt Kulturveränderung muss zwingend als breiter Beteiligungsprozess angelegt sein, der irrt. Die Zielvorgaben für die „Soll-Kultur“ können durchaus von oben kommen. Umsatz- und Kostenziele werden schließlich auch nicht im Kollektiv entwickelt. Eine Beteiligung bei der Ausgestaltung der erforderlichen Veränderung von Zielvorgaben und Rahmenbedingungen können einen wichtigen Beitrag zu einer erfolgreichen Kulturveränderung leisten.
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