Immer wenn in Führungskreisen vom Umgang mit schwierigen Mitarbeitern gesprochen wird, klingeln bei mir die Modelle zu Konfliktarten und Konflikttypen nach Friedrich Glasl. Mit Altmeister Glasl durfte ich 2021 im Rahmen einer Weiterbildung zusammenarbeiten. Wieso sein Lebenswerk von aller größter Bedeutung ist, hat uns Hollywood mit dem Rosenkrieg vorgezeigt:
Inhalt
Was ist ein Konflikt?
Quelle: Persönliche Mitschrift bei einem Workshop mit Friedrich Glasl vom 16. November 2021
In seinem Lebenswerk führt Glasl vertiefend aus, Regelkreise sind typische Muster von Konflikten. Jede Konfliktpartei greif die andere an und jeder meint nur zu reagieren. Dabei eskaliert der Konflikt zunehmend. Systemisch betrachtet bedeutet Konfliktlösung immer Regelkreise zu unterbrechen.
Unter Konfliktmanagement sind Maßnahmen zu verstehen, die dabei helfen eine Eskalation oder Ausbreitung eines Konflikts zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere Konfliktberatung und Mediation.
Welche Konflikttypen gibt es?
Im Rahmen der Orientierungsphase einer Konfliktberatung oder Mediation, also vor der eigentlichen Konfliktbehandlung, unterscheidet Glasl zwischen drei Konflikttypen:
- Makro-Konflikt: Auf der Makro-Ebene betrifft der Konflikt einen Konzern, eine Stadt oder gar ein Land.
- Meso-Konflikt: Auf der Meso-Ebene sind Organisationen, insbesondere Unternehmen, angesiedelt.
- Mikro-Konflikt: Auf der Miko-Ebene ist der Konflikt Face-to-Face, z.B. in einer Familie.
In der Literatur wird alternativ zwischen intrapersonellen und interpersonellen Konflikten unterschieden. Intrapersonelle Konflikte laufen innerhalb einer Person statt. Interpersonelle Konflikte sind zwischen zwei oder mehreren Personen ablaufend. Die Definition der Konflikttypen nach Glasl erscheint mir hier trennschärfer und zielführender.
Je nachdem in welcher Arena der Konflikt spielt, braucht der Konfliktberater unterschiedliche Kompetenzen. Während auf der Miko-Ebene vor allem psychologische Kompetenzen gefordert sind, ist es auf der Meso-Ebene wichtig sich mit Organisationskonzepten auseinander zu setzen. Auf der Makro-Ebene gilt es auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen, wie z.B. Regierung, Wirtschaft und Religion, tätig zu werden.
Wie ist die Reichweite der Konfliktarten?
Auch in Bezug auf die Reichweite des Konflikts können nach Glasl drei verschiedene Konfliktarten unterschieden werden:
- Friktion: Der Konflikt ist auf wenige Themen begrenzt.
- Positionskampf: Der Konflikt ist ein Kampf um die Macht.
- Systemveränderungs-Konflikt: Der Konflikt betrifft das gesamte System.
Die Reichweite des Konflikts bestimmt, woran in der Konfliktberatung oder Mediation konkret gearbeitet werden muss. Um den Fokus der Konfliktbearbeitung einzugrenzen, wird in der weiterführenden Literatur darüber hinaus zwischen Beziehungskonflikt, Kommunikationskonflikt, Rollenkonflikt und Zielkonflikt unterschieden.
Beziehungskonflikte entstehen nach Berkel, wenn eine Partei die andere verletzt, demütigt, missachtet. Beim Rollenkonflikt dreht es sich nach Rosner und Winheller um widersprüchlich empfundene Rollen. Kommunikationskonflikte haben ihren Ursprung in widersprüchlicher Sprache und Mimik oder Gestik. Ein Zielkonflikt liegt vor, wenn mindestens zwei Ziele verfolgt werden und nicht gleichzeitig und im selben Umfang erfüllt, werden können.
Konfliktarten: Heiße vs Kalte Konflikte?
Um zu bestimmen, wie im Konflikt interveniert werden soll, unterscheidet Glasl die folgenden beiden Konfliktarten:
Heiße Konflikte | Kalte Konflikte |
offene Auseinandersetzung | verdeckte Auseinandersetzung |
hohe Emotionalität | unterdrückte Emotionalität |
Direkte Konfrontation | Vermeidung von Konfrontationen |
Ignorieren von Regeln | Resignation statt Aggression |
Selbstüberschätzung | zerstörtes Selbstwertgefühl |
Bei heißen Konflikten wird am hier und jetzt gearbeitet und erstaunlicherweise relativ früh an der Zukunft. Bei kalten Konflikten ist eine Bewältigung der Vergangenheit notwendig, bevor Zukunftsoptionen überhaupt möglich sind.
Wie eskalieren Konflikte?
Friedrich Glasl stellt ein Modell zur Verfügung, um die Eskalation von Konflikten besser analysieren zu können. König folgend basieren diese Überlegungen auf dem Nörgler-Rückzug-Beispiel von Watzlawick. Dabei lassen sich 9 Stufen der Konflikteskalation unterscheiden, welche sich in 3 Konfliktarten aufteilen:

Win-Win-Konflikte (Konfliktart 1)
Bei Win-Win-Konflikten haben beide Seiten die Möglichkeit als Sieger auszusteigen. Solange sich Meinungen „nur“ verhärten, Debatten geführt (Streit) oder die Kommunikation gestört ist, lässt sich noch alles richten. Es ist noch alles offen. Auch wenn das gegenseitige Mitgefühl verloren geht, kann diese Konfliktart im Sinne beider Parteien gelöst werden.
Win-Lose-Konflikte (Konfliktart 2)
Bei Win-Lose-Konflikten sieht die Sache ein wenig anders aus. Bei diesem Konflikttyp wird eine der beiden Parteien als Verlierer aus dem Streit hervorgehen. Es gibt also Gewinner und Verlierer. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn Koalitionen für die eigene Sache oder Meinung gebildet werden, sollten die Alarmglocken klingeln. Wenn möglicher Gesichtsverlust oder Drohungen im Raum stehen wird es bei dieser Konfliktart einen Verlierer geben.
Lose-Lose-Konflikte (Konfliktart 3)
Bei Lose-Lose-Konflikten ist alles zu spät. Ab hier gibt es nur noch Verlierer. Bei diesem Konflikttyp werden beide Seiten als Verlierer aus dem Spiel hervorgehen. Wenn Worte wie begrenzte Vernichtung oder Zersplitterung die Runde machen, ist Alarmstufe rot angesagt. Die Krönung im negativen Sinn ist, wenn beiden Seiten gemeinsame in den Abgrund gehen. Konfliktart Nummer 3 ist ein typischer Rosenkrieg, wie oben im Filmausschnitt gezeigt.
Konfliktarten lösen




Bei der Konflikteskalation nach Glasl weist der Autor den verschiedenen Konfliktarten folgende Strategiemodelle – keine Lösung – zur Deeskalation zu:
- Stufe 1-3: Moderation
- Stufe 3-5: Prozessbegleitung
- Stufe 4-6: sozio-therapeutische Prozessbegleitung
- Stufe 5-7: Vermittlung/ Mediation
- Stufe 6-8: Schiedsverfahren/ Gerichtliches Verfahren
- Stufe 7-9: Machteingriff
Gerade der Machteingriff wird häufig voreilig gefordert. Chef, dann sag mal an! In diesem Zusammenhang hilft das Modell der Konflikteskalation nach Glasl zu prüfen, ob der gegenständlich wirklich bereits einen harten Eingriff benötigt oder eine einfache Moderation ausreichend ist.
Grundsätzlich ist das Ziel jeder Konfliktberatung oder Mediation, bei gegebener Persönlichkeitsstruktur, Verhaltensvarianten aufzudecken. Auch ein Choleriker kann sich zügeln. Wie diese Verhaltensvariante erreicht werden kann, ist je nach Eskalationsstufe des Konflikts unterschiedlich.
Konfliktfähigkeit verbessern
Das empirisch wiederholt untersuchte und bestätigte Modell der Ich-Entwicklung nach Jane Loevinger geht davon aus, dass sich Persönlichkeitsentwicklung in 10 Stufen vollzieht. Meiner Erfahrung nach ist die Entwicklung der Führungskraft eng mit der eigenen Persönlichkeitsentwicklung verbunden. Anders ausgedrückt, eine gute Führungskraft ist eine reife Persönlichkeit mit hoher Konfliktfähigkeit.
2. Selbstbeobachtung und Reflexion.
3. Beobachtung anderer (soziales Lernen).
4. Austausch und Rückmeldungen.
Die Führungskraft beobachtet sich selbst und reflektiert darüber. Tauscht sich mit Peers darüber aus und erhält Feedback zum eigenen Verhalten. Das zahlt dann wieder auf die Ich-Entwicklung ein und verbessert die Selbstbeobachtung. Bessere Fähigkeiten der Reflexion, führen zu besserem Feedback. Dadurch kann auch die Konfliktfähigkeit stetig verbessert werden.
Fazit – Konfliktarten nach Friedrich Glasl
Egal ob Konflikt im Team oder Konflikt am Arbeitsplatz, die Konfliktarten nach Friedrich Glasl helfen bei der Diagnose und geben Hinweis auf die richtige Reaktion. Noch ein Wort der WARNUNG zum Abschluss. Nach Glasl sind Konflikte fehlgeleitete Entwicklungen. Diese Fehl-Entwicklungen können sowohl auf der persönlichen als aber auch auf der strukturellen Ebene stattgefunden haben, z.B. durch unklar abgegrenzte Arbeitsbereiche. Jeden Konflikt auf die Person zu reduzieren ist sicherlich zu kurz gegriffen.
Dr. Patrick Fritz
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