Gastbeitrag von Ilona Geiger zum Thema Interkulturelle Führung.
Kürzlich sah ich einen Film über eine junge Frau, die als Kind kurz in Japan lebte und deren grösster Wunsch es als Erwachsene war, wieder dahin zurückzukehren. Als sich ihr Traum erfüllte und sie in Tokyo einen Job bekam, stellte sie fest, wie schwierig es war, ohne jedes interkulturelle Vorwissen im Arbeitsalltag zu überleben. Durch ihre europäische Art rannte sie täglich gegen unsichtbare Glaswände. Während ich den Film sah, dachte ich an meinen Bekannten Michael, der gerade von seiner Firma mehrmals als Art Troubleshooter nach Japan entsendet worden war. Also sandte ich ihm den Link zum Film in der Hoffnung, er möge ihm helfen. Die Antwort kam postwendend: „Haha, Businessetikette in Japan! Die haben doch dort alle ein Eck weg… mich bringen die jedenfalls nicht mehr dorthin… so stur die Japaner….“
Was in diesem Fall falsch gelaufen war, ist offensichtlich. Die Firma hatte versäumt, ihren Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten. Was bei virtuellen Teams quer über den Globus, bei Produktionsstätten in China oder Rechenzentren in Polen für die meisten Unternehmer offensichtlich ist, wird leider häufig in unserem Vierländereck (A, CH, D, FL) vergessen – denn wir sprechen ja alle Deutsch, oder? Was an jedem Stammtisch klar ist á la „… treffen sich ein Österreicher, ein Deutscher und ein Schweizer…“, nämlich dass es auch unter deutschsprachigen Menschen grosse Unterschiede gibt, wird von vielen Unternehmen ignoriert. Vielleicht führt ja die Bezeichnung „Interkulturelle Führung“ in die Irre und der Begriff „Diversity Management“ triffts besser? Wie auch immer. Lassen Sie doch Ihre Mitarbeiter mal an Ihrem geistigen Auge vorüberziehen:
- Wer sagt: „Wir treffen uns nach dem Mittagessen“ und wer sagt „Wir treffen uns um zwei“?
- Bei wem haben Sie das Gefühl, dass er nie auf den Punkt kommt, weil er immer Geschichten rund ums eigentliche Thema erzählt?
- Wer brüskiert Sie in seinen Emails, weil er so trocken und zackig schreibt, dass Ihnen beim Lesen fast die Luft wegbleibt?
- Wer duzt Sie obwohl Sie der Chef sind und wer tut sich schwer damit?
- Wer vertuscht Fehler, um das Team zu schützen und wer zeigt sie auf, um die Firma zu schützen?
Sie merken schon, es kommt nicht auf die Nationalität sondern auf die Individualität an. Interkulturelle Führung bedeutet, alle diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zu erkennen und richtig damit umzugehen, um Mitarbeiter richtig motivieren und führen zu können.
Machen Sie doch einfach bei der nächsten Teamsitzung einen Test: Bereiten Sie 3 Flipcharts vor, auf die Sie jeweils einen Begriff schreiben. Zum Beispiel : Feedback, Führung, Planen. Zeichnen Sie einen Kreis darum, und lassen sie Ihre Teammitglieder reinschreiben, was sie unter den Begriffen verstehen, was ihnen dazu einfällt. Und dann bitten Sie Ihr Team, ausserhalb des Kreises zu schreiben, was ihnen einfällt, wenn sie das Thema mit schweizer, deutschen, österreichischen und liechtensteiner Augen betrachten. Sie werden staunen!
Ilona Geiger, Ausbildung in Salzburg, 25 Jahre Auslandsaufenthalt zwischen Europa, Afrika und dem Nahen Osten in unterschiedlichen Managementfunktionen. Master in Training und Development an der SMBS (Universität Salzburg). Zahlreiche Weiterbildungen, unter anderem zertifizierter Extended DISC Coach, zertifizierte Interkulturelle Trainerin, Organisationsaufstellung (Elco de Geus). Seit 2001 im Trainingsbereich, seit 2009 selbständige Wirtschaftstrainerin, international tätig. Trainingssprachen D, E, F. Spezialisierung: Kommunikation und Teamcoaching in Zeiten von Veränderung, Führungskräfteentwicklung, Burnoutprävention in Organisationen und Konfliktmanagement.
Danke!
Gruss
Bea