Negativ betrachtet, gibt es zu viele neue Innovationsmethoden. Positiv betrachtet, standen noch nie so viele Innovationsmethoden zur Auswahl. Dabei kann der Überblick leicht verloren gehen und alle Bemühung um Erneuerung schnell zum Innovationstheater verkommen. Dieser FRITZ Tipp hilft die Übersicht bei Innovationsmethoden zu behalten und die richtige Wahl zu treffen.
Innovationsmethoden Übersicht
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben, möchte ich an dieser Stelle eine Innovationsmethoden Übersicht geben:
- Netnography: Die Methoden der Ethnografie werden zur Identifikation von Kundenbedürfnissen auf Online-Communitys angewendet.
- Technology Scouting: Identifizieren relevanter Trends in definierten Technologiefeldern durch interne oder externe Mitarbeiter.
- Online Communities: Identifikation von Kundenbedürfnissen oder Durchführung von Ideen-Wettbewerben in Online Communities wie z.B. der HYVE Crowd.
- Lead User Workshops: Ideenfindung/-bewertung mit führenden Experten im jeweiligen Feld.
- Jam Session: Ideenfindung/-bewertung als Großevent, z.B. IBMs Innovation Jam
- Design Thinking oder Design Sprint: Vom Bedürfnis bis zum Prototypen-Test in Langform (Design Thinking) oder Kurzform (Design Sprint).
- Ideenmanagement: Sammeln, bewerten, auswählen und umsetzen von internen oder externen Ideen.
- Lego Serious Play: Ideenfindung bzw. Prototypenentwicklung mit Lego.
- InnoCamp (Intern) oder Hackathon (Extern): Zeitlich begrenzte kollaborative Bearbeitung von Innovations-Challenges.
- Startups: Umsetzung von Ideen in Form eigenständiger Unternehmen, z.B. V_labs oder weXelerate.
- InnovationLabs: Aufbau eines Containers zur schnellen Durchführung von teilen oder des gesamten Innovationsprozesses, z.B. Innovation Lab von illwerke vkw.
- Open Innovation: Öffnung des Innovationsprozesses zur Vergrößerung des Innovationspotenzials, z.B. Plattform V.
- Business Model Canvas und Lean Startup: Aufbau neuartiger Geschäftsmodelle nach dem Build-Measure-Learn Zyklus.
- Art of Hosting: Gestaltung von Innovationsprozessen in komplexen Umfeldern.
Diese Liste ist in Wirklichkeit sehr viel länger. Vermutlich gibt es darunter sogar Innovationsmethoden von denen ich noch gar nichts gehört habe. Viel wichtiger erscheint mir jedoch die Frage, wann setzte ich welche Innovationsmethode ein?
Gerade diese Frage wird meiner Erfahrung nach häufig beantwortet, als ob man ins Theater gehen möchte: Man wählt das Stück, welches gerade besonders gefragt ist. Design Thinking ist so ein Beispiel. Wenn man das nicht kennt, gehört man nicht zu den innovativen Leuten 😉
Obwohl mir Design Thinking besonders am Herzen liegt, halte ich es für keinen guten Weg sich darauf einzulassen, nur weil es Andere angeblich gut finden. Stattdessen schlage ich einen Ausflug in die Wissenschaftstheorie vor.
Problem-Solution-Fit vs Solution-Market-Fit
Die Leute hinter Problem2Value empfehlen zwischen Problem-Solution-Fit und Solution-Market-Fit zu unterscheiden, um die richtige Innovationsmethode zu wählen:

Beim Problem-Solution-Fit, sollte dein angedachtes Produkt eine Lösung für ein Problem deiner potenziellen Kunden bieten. Von einem Geschäftsmodell ist noch gar nicht die Rede. Hierzu scheinen Design Thinking die passende Innovationsmethode zu sein.
Beim Solution-Market-Fit gilt es ein passendes Produkt für den Markt zu liefern. Hierzu kommen Innovationsmethoden wie Lean Startup, Design Sprint und SCRUM in Frage. Wobei SCRUM gar nicht mehr soviel mit Innovation zu tun hat. Hier sprechen wir von Umsetzung.
Wissen testen vs Wissen aufbauen
Einleitend folgende Worte zur Warnung. Die Wissenschaftstheorie lässt sich nicht mal eben in 1000 Worten zusammenfassen. Das ist aber auch nicht mein Ziel. Ich picke bewusst zwei Modelle heraus die aus meiner Sicht hilfreich sind, um Ordnung ins Innovationsmethoden-Chaos zu bringen. Dazu kombiniere ich die beiden Modelle von Colquitt, Zapata-Phelan und Ansoff und lande dann bei folgender Darstellung:
- Wissen replizieren: In der Wissenschaft sprechen wir von einer Studienarbeit . Fassen Sie bitte den aktuellen Stand des Wissens zur vorab definierten Problemstellung zusammen. Im Unternehmen sprechen wir vom Kernprodukt. Das bestehende Produkt wird für bestehenden Kunden wieder und wieder hergestellt.
- Wissen anwenden: Wir steigern uns und sind bei einer Bachelor-Arbeit angelangt. Wenden Sie bestehendes Wissen auf eine von ihnen selbst definierte Problemstellung an. Im Unternehmenskontext spricht man in diesem Fall von einer neuen Zielgruppe für das bestehende Produkt – „Wir verkaufen jetzt auch in China“.
- Wissen erweitern/ testen: Jetzt sprechen wir von einer Master-Arbeit . Dem kritischen Rationalismus nach Popper folgend, testen wir Hypothesen (abgeleitet aus bestehenden Theorien) darauf, ob sie das Problem oder Phänomen besser erklären können. Durch dieses deduktive Vorgehen verbessern wir Theorien. Unternehmerisch gesprochen testen wir eine neue Produktvariante für die bestehende Zielgruppe.
- Wissen erweitern/ aufbauen: Nun sind wir bei einer Dissertation angelangt. Wir schaffen neue Hypothesen (abgeleitet aus Einzelfall-Beobachtungen) über ein qualitativ-induktives Vorgehensmodell. Diese werden in weiterer Folge auf ihre Relevanz zur Erklärung des in der Praxis neu beobachteten Phänomens getestet. Was für Popper nur eine Illusion ist, ist in der Forschungspraxis gang und gebe. Auch in der Praxis gibt es neue Produkte für neue Zielgruppen.
Strategisches Innovationsmanagement
Damit Innovationsmethoden nicht zum Theater verkommen, schlage ich vor das entwickelte Modell Schritt für Schritt durchzugehen. Dabei zu prüfen, welche Bausteine für die eigene Unternehmensstrategie relevant sind und dementsprechend Ressourcen zuzuweisen. Der Leitgedanke soll durch folgendes Beispiel erläutert werden:
Aufgrund der Unternehmensstrategie entschließt sich das Unternehmen 80% in die Verbesserung des Kernprodukts zu investieren (Effizienz-Innovation). 15% der Ressourcen gehen in die Erschließung neuer Märkte (Inkrementelle Innovation). 5% werden für den Pilot-Test eines neuen Produktes für bestehenden Kunden aufgewendet (Inkrementelle Innovation). Neue Produkte für neue Zielgruppen sind bewusst kein Thema (Radikale Innovation). Erst wenn diese grundlegenden Fragen geklärt sind, lohnt es sich die eingangs erwähnten Innovationsmethoden genau zu prüfen.
Hilft mir z.B. Design Thinking dabei mein bestehendes Kernprodukt zu verbessern? Wohl eher nicht, wie es der Beitrag „Methode my ass!“ von Dark Horse gut auf den Punkt bringt. Design Thinking hat seine Stärken, wenn das Problem neu bzw. noch sehr abstrakt ist. Hier muss zunächst neues Wissen in Form von Hypothesen geschaffen werden, in nachfolgender Abbildung Insights genannt:
Fazit – Innovationsmethoden
In meiner Praxis fühle ich mich oft an ein Innovationstheater erinnert. Die neuesten Innovationsmethoden werden angewendet, nur um bei den Innovativen mit dabei zu sein. Sobald der Prototyp steht, fehlt es am Willen und/oder an den Ressourcen für die Umsetzung.
Cronin schlägt deshalb vor, anstelle Geld in Innovationstheater zu versenken, unternehmerisch agierende Motorsport-Abteilungen zu gründen, die ein High-Risk-High-Reward-Umfeld ermöglichen und die richtige Innovationsmethode und Zeithorizont verfolgen.
Ich plädiere dafür die Kirche im Dorf zu lassen und klar zu entscheiden, soll Wissen repliziert, angewendet oder wirklich erweitert werden. Vielleicht ist die Erweiterung des Wissens etwas für die Forschung und mögliche Startups, die daraus entstehen. In Zeiten des gelebten Innovationstheaters eine unpopuläre Meinung, das ist mir bewusst. Aber hast du Lust auf Innovationstheater – sieht gut aus, bringt aber nix?
Dr. Patrick Fritz
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