Während der Vorbereitung für die Innovation Journey ist mir klar geworden, dass wir es gegenwärtig mit der Innovation der Innovation zu tun haben. Negativ betrachtet, gibt es zu-viele neuartige Zugänge wie man zu Innovation kommen kann. Positiv betrachtet, standen noch nie so-viele Möglichkeiten offen, wie Innovation gelingen kann. Dabei kann der Überblick leicht verloren gehen und alle Bemühung um Erneuerung schnell zum Innovationstheater verkommen – sieht gut aus, bringt aber nix!
Zugänge zur Innovation
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben, möchte ich an dieser Stelle einen Überblick geben, über mögliche Zugänge zur Innovation:
- Netnography: Identifikation von Kundenbedürfnissen über soziale Medien.
- Technology Scouting: Identifizieren relevanter Trends in definierten Technologiefeldern.
- Online Communities: Identifikation von Kundenbedürfnissen oder Ideen-Wettbewerbe in Communities, z.B. HYVE Crowd.
- Lead User Workshops: Ideenfindung/-bewertung mit führenden Experten.
- Jam Session: Ideenfindung/-bewertung als Großevent, z.B. IBM’s InnovationJam
- Design Thinking, Design Sprint oder Google Sprint: Vom Bedürfnis bis zum Prototypen-Test.
- Ideenmanagement: Sammeln, bewerten, auswählen und umsetzen von internen/externen Ideen.
- Lego Serious Play: Ideenfindung bzw. Prototypenentwicklung mit Lego.
- InnoCamp (Intern) oder Hackathon (Extern): Zeitlich begrenzte kollaborative Bearbeitung von Innovations-Challenges.
- Startups: Umsetzung von Ideen in Form eigenständiger Unternehmen, z.B. V_labs oder weXelerate.
- InnovationLabs: Aufbau eines „Containers“ zur schnellen Durchführung von teilen oder des gesamten Innovationsprozesses, z.B. Innovation Lab von illwerke vkw.
- Open Innovation: Öffnung des Innovationsprozesses zur Vergrößerung des Innovationspotenzials, z.B. Plattform V.
- Geschäftsmodellinnovation und Lean Startup: Aufbau neuartige Geschäftsmodelle nach dem Build-Measure-Learn Zyklus.
- Art of Hosting: Gestaltung von Innovationsprozessen in komplexen Umfeldern.
Kennst du alle diese Zugänge? Kannst du einschätzen was diese Zugänge dir bringen können? Welches ist der richtige Zugang für dich? Gerade die letzte Frage wird meiner Erfahrung nach häufig beantwortet, als ob man ins Theater gehen möchte: Man wählt das Stück, welches gerade besonders gefragt ist. Design Thinking ist so ein Beispiel. Wenn man das nicht kennt, gehört man nicht zu den innovativen Leuten 😉
Obwohl mir Design Thinking besonders am Herzen liegt, halte ich es für keinen guten Weg sich darauf einzulassen, nur weil es Andere angeblich gut finden. Stattdessen schlage ich einen Ausflug in ein ganz anderes Gebiet vor, und zwar die Wissenschaftstheorie . Dort stellt man sich schon länger die Frage, wie gelingt die Innovation der Innovation.
Wissenschaftstheorie
Einleitend folgende Worte zur Warnung. Das Thema Wissenschaftstheorie lässt sich nicht mal eben in 1000 Worten zusammenfassen. Das ist aber auch nicht mein Ziel. Ich picke ganz bewusst zwei Modelle heraus die aus meiner Sicht hilfreich sind, um Ordnung ins Innovations-Chaos zu bringen. Dazu kombiniere ich die Ansätze von Colquitt, Zapata-Phelan und Ansoff und lande dann bei folgender Darstellung:
- Wissen replizieren: In der Wissenschaft sprechen wir von einer Studienarbeit. Fassen Sie bitte den aktuellen Stand des Wissens zur gegebenen Problemstellung zusammen. Im Unternehmen sprechen wir vom Kernprodukt. Das bestehende Wissen wird für bestehenden Kunden wieder und wieder abgespult.
- Wissen anwenden: Wir steigern uns langsam und sind bei einer Bachelor-Arbeit angelangt. Wenden Sie bestehendes Wissen auf eine neue Problemstellung an. Im Unternehmenskontext spricht man in diesem Fall von einer neuen Zielgruppe für das bestehende Produkt – „Wir verkaufen jetzt auch in China“.
- Wissen erweitern/ testen: Jetzt sprechen wir von einer Master-Arbeit. Dem kritischen Rationalismus nach Popper folgend, testen wir unsere Hypothesen darauf, ob sie den gewählten Ausschnitt der bekannten Realität erklären können. Durch dieses deduktive Vorgehen verbessern wir unsere Theorien. Unternehmerisch gesprochen testen wir ein neues Produkt für eine bestehende Zielgruppe.
- Wissen erweitern/ aufbauen: Nun sind wir bei einer Dissertation angelangt. Wir schaffen neue Hypothesen über ein qualitativ-induktives Vorgehensmodell. Diese werden anschließend auf ihre Relevanz zur Erklärung der Praxis getestet. Was für Popper nur eine Illusion ist, ist in der Forschungspraxis gang und gebe. Auch in der Praxis gibt es neue Produkte für neue Zielgruppen.
Strategisches Innovationsmanagement
Damit die Innovation der Innovation nicht zum Theater verkommt, schlage ich vor das entwickelte Modell Schritt für Schritt durchzugehen. Dabei zu prüfen, welche Bausteine für die eigene Unternehmensstrategie relevant sind und dementsprechend Ressourcen zuzuweisen. Der Leitgedanke soll durch folgendes Beispiel erläutert werden:
Aufgrund der Unternehmensstrategie entschließt sich das Unternehmen 80% in die Verbesserung des Kernprodukts zu investieren. 15% der Ressourcen gehen in die Erschließung neuer Märkte. 5% werden für den Pilot-Test eines neuen Produktes für bestehenden Kunden aufgewendet. Neue Produkte für neue Zielgruppen sind bewusst kein Thema. Erst wenn diese grundlegenden Fragen geklärt sind, lohnt es sich die eingangs erwähnten Zugänge genau zu prüfen.
Hilft mir z.B. Design Thinking dabei mein bestehendes Kernprodukt zu verbessern? Wohl eher nicht, wie es der Beitrag „Methode my ass!“ von Dark Horse gut auf den Punkt bringt. Design Thinking hat seine Stärken, wenn das Problem neu bzw. noch sehr abstrakt ist. Hier muss zunächst neues Wissen in Form von Hypothesen geschaffen werden, in nachfolgender Abbildung Insights genannt:
Fazit – Innovation der Innovation
In meiner Praxis fühle ich mich oft an ein Innovationstheater erinnert. Die neuesten Methoden werden angewendet, nur um bei den Innovativen mit dabei zu sein. Sobald der Prototyp steht, fehlt es am Wille und/oder an den Ressourcen für die Umsetzung. An dieser Stelle plädiere ich dafür eine andere Brille aufzusetzen und klar zu entscheiden, soll Wissen repliziert, angewendet oder wirklich erweitert werden. Vielleicht ist die Erweiterung des Wissens etwas für die Forschung und mögliche Startups, die daraus entstehen. In Zeiten des gelebten Innovationstheaters eine unpopuläre Meinung, das ist mir bewusst. Aber hast du Lust auf Innovationstheater – sieht gut aus, bringt aber nix?
Dr. Patrick Fritz
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