Innere Antreiber sind ein wertvolles Konzept zur Analyse von Persönlichkeits- und Beziehungsdynamiken vom amerikanischen Psychologen Taibi Kahler. Workshops mit Stephan Berchtold zum darauf basierenden Process Communication Model im Rahmen der Führungskreis Softwareentwicklung und IT haben mich motiviert tiefer zu graben und euch in diesem FRITZ Tipp zusätzlich einen inneren Antreiber Test zur Verfügung zu stellen.
Inhalt
Was sind innere Antreiber?
Das Konzept der inneren Antreiber habe ich zum ersten Mal bei meiner Ausbildung am Institut für systemische Beratung (isb) kennengelernt. Gerade beim Coaching wird offensichtlich, dass Menschen auf Stress und Belastungssituationen vollkommen unterschiedlich reagieren.
Allen gemein ist ein tiefer liegendes „Nicht-OK-Gefühl“. Um diesem Unwohlsein zu entrinnen, entwickeln Klienten verinnerlichte Anweisungen, die als innere Antreiber bezeichnet werden. Der Begriff „Innere Antreiber“ weist daraufhin, dass Menschen diesen Anweisungen nahezu zwanghaft folgen. Ähnlich einem inneren Programm, das in Bruchteilen einer Sekunden abläuft, und bei dem man oft Passagier ist, wenn man nicht lernt darauf zu achten und damit umzugehen.
Innere Antreiber sind Talente, die über das Ziel hinausgeschossen sind (z.B. Hektik statt Schnelligkeit).
Quelle: Institut für systemische Beratung (isb)
So weit so gut. Das Problem an der Sache, innere Antreiber lösen das Nicht-OK-Gefühl nicht auf, sondern können es verstärken. Taibi Kahler unterscheidet seit Anfang der 70er Jahre fünf Antreiberdynamiken, die Menschen aktivieren, um ein Nicht-OK-Gefühl bzw. das dahinter liegende psychische Bedürfnis zu kompensieren:
- Ich bin OK, wenn ich perfekt bin.
- Ich bin OK, wenn ich stark bin.
- Ich bin OK, wenn ich es anderen recht mache.
- Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge.
- Ich bin OK, wenn ich mich beeile.
Ich bin OK, wenn ich perfekt bin
Wenn der „Sei Perfekt“ Antreiber am Werk ist erleben wir sehr detailorientierte Menschen, die nicht abgeben können und mit hoher Fehlerorientierung unterwegs sind. Bis hin zur Fokussierung auf Missstände, weil sie fast alles besser, schneller und effizienter machen können. Die hohen Ansprüche an sich und andere führen zum Leitsatz: Ich darf keine Fehler machen. Es gibt aber auch die Ausprägung, sei du perfekt für mich. Wer als Führungskraft oder Coach mit diesem inneren Antreiber umgehen will, hält sich an den inneren Erlaubnissatz: Ich darf Fehler machen und kann daraus lernen.
Ich bin OK, wenn ich stark bin
Der „Sei Stark“ Antreiber ist der ideale Schutz vor der eigenen Verletzlichkeit. Getreu dem Motto, da muss man durch oder ich muss es allein schaffen. Der ideale Krisenmanager ist hier am Werk. Diesen inneren Antreiber gibt es aber auch in der Ausprägung, sei du stark für mich. Wer meint keine Schwäche zeigen zu dürfen, sollte darauf vertrauen zu lernen, dass andere fürsorglich mit der eigenen Schwäche umgehen.
„Die Plattform von Patrick ist einmalig, da er es immer wieder schafft, uns als Teilnehmer herauszufordern und zum Nachdenken anzuregen. Die Themen und Diskussion im Führungskreis Softwareentwicklung helfen mir bei der täglichen Arbeit. Die Impulsvorträge ermöglichen mir in kürzester Zeit in ein neues Thema ausserhalb des normalen Alltags einzusteigen.“
Ich bin OK, wenn ich es anderen Recht mache.
Der „Mach’s anderen recht“ Antreiber lässt sich bei Menschen schnell erkennen, die ein Problem damit haben NEIN zu sagen. Der typische Team-Player. Es geht darum als Mensch bedingungslos gemocht zu werden. Wenn man diese Anerkennung als Person nicht bekommt, zündet der innere Antreiber. Es geht um Harmonie um jeden Preis. Dadurch wird der eigene Standpunkt schwammig. Um die innere Angst vor Ablehnung zu überwinden, sollte das Recht auf eigene Meinung öfter nutzen.
Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge
Der innere Antreiber „Streng Dich an“, führt dazu immer alles geben zu wollen. Sprachliche Metaphern von Gewicht und Druck gehören für ihn zum Alltag. Der prägende Glaubenssatz lautet: Ich schaffe es nicht, wenn ich nicht alles gebe. Es darf aber auch leicht gehen, ist hier das passende Gegenstück zum Entschärfen der beschriebenen Antreiberdynamik.
Ich bin OK, wenn ich mich beeile
Eigentlich bin ich schon zu spät, aber… . Schon mal gehört? Dann ist der „Beeil Dich“ Antreiber am Werk. Wer diesem inneren Antreiber unterliegt, glaubt nicht sein Bestes zu geben, wenn er sich nicht beeilt. Der perfekt Multi-Tasker. Zum besseren Umgang lautet der innere Erlaubnissatz: Ich darf mir Zeit nehmen. Ich habe genügende Zeit für das Wesentliche.
Innere Antreiber Test
Wer schon immer einmal wissen wollte, welche innere Antreiber bei ihm/ihr am stärksten ausgeprägt sind, wird bei Kälin und Müri fündig. Wer seine inneren Antreiber sofort testen möchte, klickt auf die nachfolgende Abbildung und kann sich den innere Antreiber Test als PDF herunterladen:




Beim Test innerer Antreiber müssen 50 Aussagen auf einer Bewertungsskala von 1-5 gewichtet werden. Die Aussage trifft (gar nicht bis vollkommen) auf mich in meiner Berufswelt zu: Wann immer ich eine Arbeit mache, dann mache ich sie äußerst gründlich. Es dürfen keine Fehler vorkommen.
Zur Auswertung des Antreibertest überträgst du dein Bewertungsergebnis auf den beigelegten Auswertungsschlüssel. Zähle dann die Bewertungszahlen zusammen. Bei der Auswertung des innere Antreiber Test steht SP für Sei Perfekt, MS für Mach Schnell, SDA für Streng Dich an, MEAR für Mach es allen Recht und SS für Sei Stark.
Process Communication Model
Taibi Kahler hat das Konzept der inneren Antreiber in den 80er Jahren zu einem Persönlichkeits- und Kommunikationsmodell unter dem Titel Process Communication Model weiterentwickelt. Damit beschreibt er aber nicht nur die menschliche Persönlichkeit, sondern gibt darüber hinaus Handlungsanleitungen, wie etwa Misskommunikation vermieden werden kann. Neben dem Persönlichkeitsmodell gibt es auch ein Kommunikationsmodell. Basierend auf dem Antreibermodell bzw. den übergeordneten Miniscripts definiert Taibi Kahler 6 verschiedene Persönlichkeitstypen, wobei wir alle diese Typen in uns vereinen:
25% Logiker (Ich bin OK, wenn ich perfekt für dich bin)
Der Logiker trägt den „Sei Perfekt“ Antreiber in sich. Um genau zu sein, ich muss für dich perfekt sein. Der Logiker strebt nach Anerkennung seiner Leistung. Um dieses Bedürfnis zu befriedigen nutzt er seine Charakterstärken: logisch, verantwortungsvoll und gut organisiert. Bleibt die Bedürfnisbefriedigung aus, zündet der innere Antreiber, eben noch ein bisschen perfekter sein zu müssen, in der Annahme, dass er dann die Anerkennung für die Leistung bekommt. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Logiker der kooperative Führungsstil am besten.
10% Beharrer (Ich bin OK, wenn du für mich perfekt bist)
Der Beharrer trägt genauso wie der Logiker den „Sei Perfekt“ Antreiber in sich. Um genau zu sein, du musst für mich perfekt sein. Beim Beharrer hängt das alles ganz stark an seinen Werten. Er schaut immer sehr genau, ob das zu seinen Werten und Überzeugungen passt. In seinem Streben nach Ankerkennung seiner Leistung und Überzeugungen ist er stets aufmerksam, engagiert und gewissenhaft. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Beharrer ebenfalls der kooperative Führungsstil am besten.
30% Empathiker (Ich bin OK, wenn ich es anderen Recht mache.)
Der Empathiker trägt den „Mach’s anderen recht“ Antreiber in sich. Sein psychisches Bedürfnis besteht darin Anerkennung als Mensch und sinnliche Anregung zu erhalten, deshalb kann er schlecht NEIN sagen. Dafür verhält er sich anderen gegenüber sensibel, einfühlsam und warmherzig. Der Empathiker nutzt seine Charakterstärken, um für andere da zu sein, seine Qualitäten als Mensch zu zeigen, und um Harmonie zu schaffen. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Empathiker der wohlwollende, karitative oder partizipative Führungsstil am besten.
5% Macher (Ich bin OK, wenn du für mich stark bist)
Der Macher trägt den „Sei Stark“ Antreiber in sich. Um genau zu sein, du musst für mich stark sein. In seinem Bedürfnis nach Aufregung tritt er überzeugend, charmant und durchaus anpassungsfähig auf. Um sich Freiheit, Selbständigkeit und damit Geschwindigkeit bei der kurzen Abfolge von Aufregungen zu holen, muss er andere zurückweisen. Er erwartet, dass sie allein für sich sorgen können. Daher das sei du stark für mich. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Macher der autoritäre Führungsstil am besten.
20% Rebell (Ich bin OK, wenn ich mich für dich anstrenge)
Der Rebell trägt den „Streng Dich an“ Antreiber in sich. Der Rebell glaubt daran es nur zu schaffen, wenn er alles gibt und sucht dabei den spielerischen Kontakt. Er gilt als verspielt, spontan und kreativ. Entweder er mag etwas oder er mag es eben nicht. Wenn jemand ständig unangemessen delegiert, um selbst nicht verantwortlich zu sein, dann ist diese Person wahrscheinlich im Distressverhalten ersten Grades des Rebellen. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Rebellen der Laissez-faire Führungsstil am besten.
10% Träumer (Ich bin OK, wenn ich für dich stark bin)
Der Träumer trägt genauso wie der Macher den „Sei Stark“ Antreiber in sich. Um genau zu sein, ich muss für dich stark sein. Sein Bedürfnis nach klarer Führung unterstreicht er mir seinen Eigenschaften als fantasievoller, ruhiger und nachdenklicher Typ. Der Träumer zieht sich zurück und wartet ab. Ich muss jetzt stark sein und es aushalten, bis jemand kommt und mir klare Führung gibt. Ich muss es aushalten, bis sich jemand um mich kümmert. Als Führungskraft eignet sich im Umgang mit dem Träumer ebenfalls der autoritäre Führungsstil am besten.
Die 6 Persönlichkeitstypen sind in jedem von uns unterschiedlich stark ausgeprägt. Taibi Kahler spricht von der Architektur der Persönlichkeit. Unter Führungskräften sind Logiker (25%) und Beharrer (10%) besonders stark vertreten. Mit Homeoffice kommen ebenfalls Logiker und Beharrer sowie Träumer besser zurecht als der gruppenbezogene Empathiker, Macher und Rebell.
Fazit – Innere Antreiber und PCM
Persönlichkeitstests gibt es wie Sand am Meer (z.B. MBTI oder DISG). Am Konzept der inneren Antreiber und dem darauf aufbauenden Process Communication Model spricht mich die empirische Unterlegung, sowie die Ausweitung auf das Kommunikationsverhalten besonders an. PCM hilft das Kommunikationsverhalten von Sekunde zu Sekunde zu erkennen und darauf aufbauend erklärt, welche Signale das Gegenüber zeigt, und wie darauf reagiert werden kann. Angeblich ist sogar der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hier fündig geworden, um möglichst viele Persönlichkeitstypen mit seinen Reden zu erreichen.
Dr. Patrick Fritz
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