Die Heldenreise, auch Monomythos genannt, wurde ursprünglich von James Joyce geprägt und bezeichnet die Taten eines Helden auf einer Heldenreise. Joseph Campbell hat die Stationen einer Heldenreise genauer erforscht. In diesem FRITZ Tipp erkläre ich euch, warum uns Geschichten wie Herr der Ringe oder Star Wars von Kindheit an faszinieren.
Inhalt
Was ist die Heldenreise?
Joseph Campbell definiert die Heldenreise (Monomythos) als einen archetypischen Prozess. Es handelt sich um eine Reise, auf der der Held sich von der gewohnten Welt entfernt, zahlreiche Prüfungen und Herausforderungen meistert, in Kontakt mit spirituellen Kräften und Weisheiten kommt und schließlich als transformierte Person in die Alltagswelt zurückkehrt.
Heldenreise am Beispiel Herr der Ringe
Die Heldenreise läuft immer nach demselben Muster ab, tritt aber in den unterschiedlichsten Variationen auf. Wir glauben immer wieder unterschiedliche Filme zu sehen oder Romane zu lesen, im Kern läuft aber immer dasselbe archetypische Prozess ab. Hier am Beispiel Herr der Ringe dargestellt:
Paradies
Die Reise der Helden beginnt immer im Paradies, in seiner gewohnten Welt. Der Held wird vorgestellt in der Welt, in der er lebt. Alles ist gut, wie bei den Hobbits im Auenland.
Katalysator
Der Held wird durch einen Schicksalsschlag oder ein existenzielles Problem aus der gewohnten Bahn geworfen. Der Ring taucht auf und muss zerstört werden. Nach erster Verweigerung beginnt die (unfreiwillige) Reise.
Beistand
Der Held muss die Reise zum Glück nicht allein bestehen und erhält Beistand durch einen Mentor. Der Mentor ist ein Wissender, er kennt beide Welten, die alte und die neue. Zauberer (Gandalf der Weiße), Zwerge und Elben begleiten den Helden auf seinem Weg.

Prüfungen
Der Held durchläuft eine Phase der Prüfungen und Bewährungsproben und meistert sie entweder oder geht unter. Der Hobbit Bilbo nimmt seine Reise auf und muss unzählige Prüfungen bestehen, bei denen es um Leben oder Tod geht. Verbündete und Feinde werden nach und nach als solche erkannt.
Zuspitzung
Alles läuft auf die große Endprüfung bzw. den Endkampf hinaus. Das Vordringen zur tiefsten Höhle steht bevor. Der Held begegnet seinem Antagonisten und seinem inneren Feind. Der Ring muss im Vulkan versenkt werden und die scheinbare Übermacht der Feinde muss besiegt werden – die entscheidende Prüfung.
Ankommen
Wenn der Held alle Prüfungen bestanden hat, kommt er am Schluss in einer Art gelobtem Land an. Bilbo reist in den äußersten Westen. In der Moderne findet diese Odyssee innerlich statt: Der Held kommt am Schluss bei sich selbst an, bei einem neuen Selbst. Am Ende ist der Held persönlich gereift und befindet sich in einer neuen Situation.
Heldenreise am Beispiel Star Wars
Soweit bekannt, hat sich George Lucas, der Schöpfer des Star Wars Universums, bei George Campbell inspirieren lassen und seine Geschichte entsprechend der Heldenreise aufgebaut.
- Paradies: Der junge Luke Skywalker lebt auf dem Wüstenplaneten Tatooine und hat das Gefühl, dass er für Größeres bestimmt ist.
- Katalysator: Als er von den Droiden R2-D2 und C-3PO eine Nachricht von Prinzessin Leia erhält, wird er in das Abenteuer hineingezogen und entscheidet sich, sie zu retten.
- Beistand: Luke schließt sich dem Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi an, der ihn in der Macht unterrichtet und ihm hilft, seine Fähigkeiten zu entwickeln.
- Prüfungen: Luke muss viele Prüfungen bestehen, darunter den Angriff des Todessterns und das Duell mit Darth Vader.
- Zuspitzung: In seinem finalen Kampf gegen Darth Vader erkennt Luke, dass er seinem Vater gegenübersteht und dass er das Gute in ihm finden kann.
- Ankommen: Nachdem er den Todesstern zerstört und die Rebellen zum Sieg geführt hat, kehrt Luke als transformierte Person zurück, um seine neu gewonnenen Fähigkeiten für das Wohl der Gemeinschaft einzusetzen.
In folgendem Video kannst du Joseph Campbells Heldenreise am Beispiel Star Wars auch mit entsprechenden Bildmaterial nachvollziehen:
Mythologeme als Salz in der Heldenreise
Als Ergänzung zur Heldenreise können Mythologeme hilfreich sein. Dabei handelt es sich um grundlegenden Elemente, Muster oder Motive innerhalb einer Mythologie, die immer wieder vorkommen und natürlich in keiner Heldenreise fehlen dürfen:
- Tod / Verlust eines geliebten Menschen
- Liebe / Hass
- Existentielle Prüfung / Entscheidung
- Einsamkeit / Verlassen sein / Dazugehörigkeit oder ausgeschlossen sein
- Ungerechtigkeit




Wer vor seinem geistigen Auge Romeo und Julia durchgeht, wird schnell bemerken, dass alle Punkte in einem Stück abgedeckt sind. Auch in den allermeisten Heldenreisen kommen diese Grundmotive vor.
Man könnte sagen, dass die Heldenreise ein Beispiel für ein Mythologem ist, aber nicht alle Mythologeme sind Teil der Heldenreise.
Geschichten inszenieren lernen
In der Arbeitswelt werden Geschichten produziert, die nicht haften bleiben, schon gar nicht in Bewegung setzen. Nicht dass es keine Geschichten gibt, aber die richtige Inszenierung wird sträflich vernachlässigt, wie das folgenden Video wunderbar unterstreicht:
Bei der Veranstaltung Geschichten inszenieren lernen haben wir gemeinsam mit Theaterregisseur Franz Kasperski erarbeitet, was es braucht, damit Geschichten lebendig werden:
Ambivalenzen einbauen – Authentizität – Clou – Emotionen einbauen & wecken – Erzähle Geschichte – Feedback einfordern – Fokussieren – Gefühle wecken – Geschichte statt Ereignis – Geschichte statt Serie von Bullet-Points – Geschichten schaffen Beziehungen – Held kreieren & finden – Heldin/Held personalisieren – Hinweis mit Kamera à zeigt Person im privaten Raum – Kein Ereignis-„Hick-Hack“ – Kein Powerpoint – Lesbarkeit – Links anfangen – Make a point – Monomythen – More drama Baby – Mythologeme nicht (zu) offensichtlich einbauen – Ohne Emotionen wird es nix – Ohne Ort und Zeit sind Geschichten schwer einzuordnen (essentiell) – O-Ton bringt Abwechslung – Personalisieren – Personen einbauen – Persönliche Überzeugung – Position im Raum à links vorne – POST IT auf Zeitstrahl – Querdenken – Reise – Roter Faden – Sinn vermitteln & finden – Spannung aufbauen von Ereignis à Geschehen à Geschichte – Sprich in Bildern, die Sinn machen und Menschen emotional ansprechen – Timeline erstellen – Wiedererkennungswert – Zuhörer auf eine Reise mitnehmen – Zusammenhang
Hier einige Impressionen von der Veranstaltung Geschichten inszenieren lernen am Spielboden in Dornbirn vom 20. Oktober 2015:
Fazit – Heldenreise und Business?
Nicht nur in Change-Prozessen stellt sich immer wieder die Sinn-Frage. Warum müssen wir uns verändern? Warum brauchen wir mehr Umsatz? Warum müssen wir schneller werden? Als Antwort kann man über Zahlen argumentieren und dadurch Veränderungsdruck erzeugen.
Vielleicht kann aber auch die Heldenreise, geschickt vermischt mit einzelnen Mythologemen helfen, den Change-Prozess an sich begreifbar zu machen. So kann eine Dramaturgie für Change-Prozesse entwickelt werden, die in unseren Genen steckt und für alle verständlich und nachvollziehbar ist. Wie lautet ihre Geschichte?
Dr. Patrick Fritz
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