Nach Workshops mit Wolfgang Rathert im Rahmen der Führungskreise Softwareentwicklung, Produktion und Qualitätsmanagement ist für mich klar: Gamification ist Verhaltenssteuerung durch Kontextgestaltung. Was das für dich als Führungskraft bedeutet, erfährst du in diesem FRITZ Tipp.
Inhalt
Was ist Gamification?
Kannst du dich an „Mensch ärgere dich nicht“ erinnern? Das Hoch, wenn man endlich einen 6er würfelt, um hinauszukommen. Das Tief, wenn man kurz vor dem Ziel rausgeschmissen wird und zurück an den Start muss.
Ohne Frage, Spiele können motivieren. Eigentlich verrückt. Spielbrett, Würfel, Kegel und wir bleiben stundenlang an einer Sache dran. Kein Wunder, dass man Spiel-Verhalten auf andere Kontexte, wie z.B. Arbeit, Shopfloor Board oder Software übertragen möchte.
Aber halt. Spätestens seit Mythos Motivation wissen wir doch alle: Man kann Menschen nicht motivieren, nur demotivieren. Siehe dazu den FRITZ Tipp Was versteht man unter Motivation?
Wie passt das nun zusammen? Auf der einen Seite erleben wir Menschen, die beinahe hypnotisch auf ihr Handy starren und nur noch eine Runde spielen wollen. Auf der anderen Seite kann man Menschen nicht motivieren, nur demotivieren.
Was treibt Menschen beim Spielen an?
Unheimlich vereinfacht dargestellt hat jeder Mensch Bedürfnisse. Murray spricht von needs und presses. Maslow von Mangel- und Wachstumsbedürfnissen. Häusel vom Emotionssystem. Rogers von Aktualisierungstendenz. Diese Grundbedürfnisse sind mittels zweier Akronyme gut einprägbar:
- SCARF = Status, Certainty, Autonomy, Relatedness, Fairness.
- RAMP = Relatedness, Autonomy, Mastery, Purpose.
Sicherlich gibt es noch weitere Grundbedürfnisse. Sicherlich sind diese Grundbedürfnisse nicht bei jedem Menschen gleich ausgeprägt. Wichtig ist, dass jeder Mensch von Haus aus motiviert ist, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Dies machte sich Charles M. Schwab, CEO von Bethlehem Steel, bereits Anfang des 19. Jahrhunderts zu Nutze, in dem er nach Schichtende die Produktionsmenge mit Kreide auf dem Boden notierte:

„Man kann Menschen nicht motivieren, nur demotivieren“ hat einen wahren Kern. Man kann Menschen nicht motivieren. Sie sind es bereits. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Man kann ein Umfeld, einen Kontext, einen Rahmen schaffen, in dem Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Schwab hat Teamzusammenhalt ermöglicht, indem er Transparenz hinsichtlich Leistung herstellte.
Wie wird der Kontext bei Spielen gestaltet?
In Spielen gibt es typische Techniken oder Elemente, die immer wieder zum Einsatz kommen. Hier die Top 10 spieletypischer Techniken. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Epic Meaning: Repräsentiert etwas Wichtigeres als man selbst ist, in Form einer Geschichte, z.B. Kampf Gut gegen Böse, Zombie-Apokalypse usw. Ein Handlungsstrang motiviert den Spieler dazu, die Aktivität fortzuführen.
- Level: Je höher der Level, desto besser der Spieler und desto mehr Features werden im Spiel freigeschalten. Der Eindruck von Fortschritt, Erfolg und Anerkennung spornt an weiterzuspielen.
- Countdown: Repräsentiert eine Restzeit, in der eine bestimmte Aufgabe gelöst werden muss. Ein Countdown ist ein wichtiges Motivationselement, eine Aufgabe so bald wie möglich zu erledigen.
- Badges: Medaillen, Abzeichen oder Embleme werden durch das Erfüllen bestimmter Aufgaben oder Quests erlangt. Sehr effektive Form, Anerkennung auszusprechen und den Status darzustellen.
- Rangliste: Repräsentiert die Platzierung, welche sich durch ein Punktesystem, Badges, Achievements und/oder Level errechnen lässt. Spornt den Anwender durch Konkurrenzdenken zum Weitermachen an.
- Punkte: Punkte, virtuelles Geld, Sterne, Extraleben für die Bewältigung von bestimmten Aufgaben. Sprechen materialistische Instinkte und das Bedürfnis nach kleinen Belohnungen an.
- Verbesserungen: Je weiter der Spieler vorankommt, desto mehr neue Fähigkeiten, Waffen und Befugnisse bekommt er geboten, z.B. in Form von Upgrades oder Power-Ups.
- Fortschrittsbalken: Visualisiert den Fortschritt sowie die noch offenen Ziele einer Aufgabe. Solange der Spieler sieht, dass der Balken nicht vollständig ist, setzt er in der Regel alles daran, um 100 % zu erreichen.
- Teamarbeit: Bildung von Gruppen oder Teams. Die Aufteilung der Menschen in Lager kann dazu beitragen, dass diese sich an Projekten reger beteiligen, sich mit den Teamkollegen identifizieren und motiviert sind, ihre Rivalen zu übertreffen.
- Transparenz des Resultats: Repräsentiert das vorzeitige Wissen eines Resultats, z.B. Schwierigkeitsgrad, Zeitaufwand und Höhe der Belohnung.
Diese Techniken oder Elemente dienen dem Zweck, den Kontext Spiel zu gestalten. Der Spieler erlebt Selbstbestimmtheit (Autonomy), fühlt sich kompetent (Mastery) und ist auf ein Ziel fokussiert (Purpose). Durch Befriedigung dieser Grundbedürfnisse, legen Spieler ein sehr motiviertes Verhalten an den Tag:
Wenn ich mich im Spiel immer wieder selbst entscheiden kann, wohin ich gehe, was ich mache und wie ich vorgehe, z.B. in Form von Quest oder Aufgaben, befriedigt der Spieler sein Bedürfnis nach Autonomy.
Wenn ich meinen Charakter durch das Abarbeiten von Quest oder Aufgaben auf das nächste Level bringe, befriedige ich mein Bedürfnis nach Mastery und/oder einem höheren Status gegenüber meinen Mitbewerbern.
Wenn das Spiel zudem noch vom Kampf Gut gegen Böse handelt und ich das Böse besiegen möchte oder selbst in die Rolle des Bösewichts schlüpfe, befriedige ich damit mein Bedürfnis nach Purpose bzw. bin ich auf ein übergeordnetes Ziel fokussiert.
OK, bisher ganz nett. Aber was bringt mir das Ganze als Führungskraft?
Wie kann Führung den Kontext gestalten?
Die Anleitung zur Kontextgestaltung ist einfach. Spätestens ab Schritt 3 muss man jedoch besonders empathisch vorgehen, denn das Einfühlungsvermögen gibt Aufschluss über die Bedürfnisse anderer Menschen:
- Wer ist meine Zielgruppe?
- Was ist das gewünschte Zielverhalten?
- Welche Bedürfnisse können das Zielverhalten „motivieren“?
- Wie gestalte ich den Kontext, um dieses Bedürfnis zu befriedigen?
In der nachfolgenden Abbildung sind mögliche Elemente zur Kontextgestaltung für Führungskräfte dargestellt. Die Ziffern 1-4 entsprechen den oben genannten Schritten.
Hier einige Beispiele, um die Schritte besser nachvollziehen zu können:
1. Zielverhalten | 2. Bedürfnis | 3. Kontextgestaltung |
Beim Unternehmen bleiben | Relatedness | Team-Arbeit einführen |
Eigenverantwortlich handeln | Autonomy | Selbstorganisation ermöglichen |
Gesamtzusammenhang kennen | Purpose | Vision und Mission erarbeiten |
Probleme kompetent lösen | Mastery | Weiterbildung fördern |
Max. Arbeitsleistung | Status | Rangliste einführen „Up or Out“ |
Gamification Beispiele im Unternehmen
Janaki Kumar ist in der Rolle „Head of Strategic Design Services“ bei SAP tätig. In ihrem TED Talk bringt sie Beispiele von Fit Bit, Apple Watch, Nissan Leaf und viele weitere mehr.
Zwei weitere Gamification Beispiele, die mir sehr gut gefallen, möchte ich euch ebenfalls mit auf den Weg geben:
Fazit – Gamification
Verhaltenssteuerung durch Kontextgestaltung erinnert mich stark an Fußball über die Bande spielen. Man nützt das Spielfeld, um sein Ziel zu erreichen. Das funktioniert aber nur, wenn man ein Gefühl dafür entwickelt, wohin sich meine Mit- und Gegenspieler bewegen werden.
Genauso braucht es in der Führung ein gutes Gespür, in welche Richtung es meine Mitarbeiter zieht. Motiviert meinen Mitarbeiter das Bedürfnis nach Status oder nach Relatedness? Wenn ich hier klar bin, kann ich eine geeignete Strategie zur Gamification bzw. Kontextsteuerung entwickeln.
Dr. Patrick Fritz
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