Im Rahmen des Führungskreis Personal hatte ich Gelegenheit tiefe Einblicke in die Führungskräfteentwicklung unterschiedlichster Unternehmen zu bekommen. Dabei zeigen sich die immer selben Muster, welche über die Wirkung von Entwicklungsprogrammen und Konzepten entscheiden. Hiermit teile ich ausgewählte Erfahrungen mit euch.
Inhalt
Was ist Führungskräfteentwicklung?
Mit der Definition von Führung nach Rosenstiel gesprochen, geht es bei Führungskräfteentwicklung darum zu erlernen, wie das Verhalten von Mitarbeitern durch Mittel der Kommunikation beeinflusst werden kann.
Die inhaltliche Leitfrage der Führungskräfteentwicklung muss also lauten: Wie muss ich als Führungskraft kommunizieren, um Mitarbeiter zielorientiert zu beeinflussen?

Wie funktioniert Führungskräfteentwicklung?
Bei jedem Entwicklungsprozess, auch bei Führungskräfte-Entwicklungsprozessen, stellen sich drei Fragen:
- Wo stehen wir heute (=Ist)?
- Wo wollen wir hin (=Soll)?
- Wie kommen wir vom Ist zum Soll (=Führungskräfteentwicklungsprogramm)?
Um das Soll zu bestimmen, sind nach Häfele verbindliche und akzeptierte Normen über das in der Organisation angestrebte Führungsverständnis notwendig. Dieses Soll nennt sich im Fachjargon „Führungsleitbild“ oder „Führungsgrundsätze“.
Ähnliches hatte Google mit dem Project Oxygen im Sinn. Herausgekommen sind die 10 Verhaltensweisen der besten Führungskräfte bei Google. Heute werden Führungskräfte hinsichtlich dieser Eigenschaften im Google Führungskräfte-Entwicklungsprogramm geschult und beurteilt:
2. Empowers team and does not micromanage.
3. Creates an inclusive team environment, showing concern for success and well-being.
4. Is productive and results-oriented.
5. Is a good communicator — listens and shares information.
6. Supports career development and discusses performance.
7. Has a clear vision/strategy for the team.
8. Has key technical skills to help advise the team.
9. Collaborates across Google.
10. Is a strong decision maker.
Die Methoden, aus denen ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm besteht, sind bekannt. Angefangen beim klassischen Seminar oder Training, über 360-Grad-Feedback, Kollegiale Beratung, Coaching, Exkursionen, Studienreisen, Projektarbeiten bis hin zum Evaluierungsgespräch.
Die Methoden der Führungskräfteentwicklung dienen dazu vom Ist zum Soll zu gelangen. Der Fokus liegt klar auf Persönlichkeitsentwicklung der Führungskraft. Getreu der Leitfrage, wie muss ich als Führungskraft kommunizieren, um Mitarbeiter zielorientiert zu beeinflussen?
Muster 1: Führungskräfteentwicklung liefert keinen Beitrag zum Geschäftserfolg
Wirkungslose Führungskräfteentwicklung liefert keinen Beitrag zum Geschäftserfolg, da es sich an sozial erwünschte Verhaltensweisen orientiert, die nicht erfolgskritisch sind. Welche Führungskraft sollte den bitte nicht kooperativ sein? Aber ist das für das jeweilige Unternehmen tatsächlich erfolgskritisch?
Ich behaupte, im Umfeld einer höchst erfolgreichen Firma wie Google, lässt sich ein Zusammenhang (Korrelation) zwischen jedem erdenklichen Führungsverhalten und dem Geschäftserfolg herstellen. Gerade Steve Jobs wird nach wie vor vergöttert für sein zumindest fragwürdiges Führungsverhalten.




Ob jedoch „key technical skills to help advise the team“ als Führungsqualität wirklich zum Geschäftserfolg von Google führen (Kausalität), ist deswegen noch lange nicht belegt.
Da solche Wenn-dann-Beziehung in sozialen Systemen schwer zu beweisen sind, sollte man zumindest sehr ehrlich zu sich selbst sein, ob es sich nur um erwünschtes Führungsverhalten handelt oder tatsächlich erfolgskritisch ist (siehe dazu „Führung messen„).
Hilfreich bei der Klärung kann eine Kultur-SWOT im erweiterten Führungskreis sein. Welche Verhaltensweisen sind für den Geschäftserfolg nützlich, neutral oder hinderlich? Führungskräfteentwicklung darf ausschließlich an den für den Geschäftserfolg hinderlichen Verhaltensweisen ansetzen!
Muster 2: Führungskräfteentwicklung bleibt bei Führungsgrundsätzen stecken
Den zweiten Muster wirkungsloser Führungskräfte-Entwicklungskonzepte betrifft den Weg vom Ist zum Soll und wird von Berner mit dem wunderschönen Begriff „Regenmacher-Syndrom“ bezeichnet:
- Man formuliert in wohlgesetzten Worten, wie man die Welt gerne hätte: Vision, Leitbild, Führungsgrundsätze.
- Man vollführt einige rituelle Tänze: Workshops, Mitarbeiterversammlungen, Schulungen.
- Man bringt ein paar symbolische Opfergaben: Hochglanzbroschüren, Erinnerungskärtchen.
- Und wartet dann auf das Eintreten des gewünschten Ergebnisses: Eine neue, veränderte Unternehmenskultur bzw. Führungsverhalten.
Um das Regenmacher-Syndrom auf den Punkt zu bringen, auch die sorgfältigste Beschreibung wie man die Welt gerne hätte, bewirkt nicht das die Welt so wird.
Die Formulierung eines Führungsleitbild oder von Führungsgrundsätzen, kann nur der Startpunkt sein. Darauf aufbauend braucht es ein fundiertes Konzept und dessen nachhaltige Umsetzung. Sonst bleiben Führungskräfte sprichwörtlich im Regen stehen.
Muster 3: Führungskräfteentwicklungsprogramm als Feuerlöschaktion
Die Arbeit an den Fähigkeiten und Kompetenzen der eigenen Führungskräfte kommt immer dann auf die Agenda, wenn es bereits brennt. Wenn das Feuer brennt, sind kurzfristige Löschaktionen gefragt. Führungskräfteentwicklung, die auf kurzfristige Erfolge ausgelegt ist wird Scheitern. Das Geld ist an anderer Stelle besser investiert.
Nach Precht unterschieden Hirnforscher zwischen vermittelnden und modulierenden Schaltkreisen. Der vermittelnde Schaltkreis ist die Werkseinstellung und ruft Verhalten direkt hervor. Der modulierende Schaltkreis überträgt sinnliche Erlebnisse in den anderen Schaltkreis.
Erfahrungen können die Feinabstimmung der Werkseinstellung ändern. Führungskräfteentwicklung kann die Werkseinstellung von Führungskräften nicht überschreiben. Und wenn sie wirkungsvoll gemacht ist, ändert sie die Feinabstimmung, aber nicht von heute auf morgen. Menschen sind halt eher Hardware als Software.
Muster 4: Führungskräfteentwicklung ignoriert Organisationsstrukturen
Der alleinige Fokus auf die individuelle Persönlichkeitsentwicklung im Rahmen der Führungskräfteentwicklung ist zu kurz gegriffen. Es braucht ebenfalls Anpassungen an der Organisation bzw. den Strukturen. In diesem Sinne sollte Führungskräfte-Entwicklungsprogramme in die übergeordnete Unternehmensentwicklung eingebettet sein.
Muster steuert die aus der Systemtheorie Luhmanns inspirierte Metapher Mischpult des Managements zur Diskussion bei. Dabei entsprechen die Entscheidungsparameter Strategie, Organisation und Kultur jeweils einem Regler auf einem imaginären Mischpult. Führung kann man sich als Endverstärker vorstellen, der alle aus dem Mischpult ausgehenden Signale aufs gleiche Level bringt.
Wenn die Regler höher eingestellt sind, kann der Endverstärker Führung nur noch gering auf Signale einwirken. Wenn die Regler niedriger eingestellt sind, muss der Endverstärker Führung umso stärker eingreifen, um die Zielkonflikte auf operativer Ebene zu verhandeln und entscheiden.
Hier einige Möglichkeiten, wie der Endverstärker Führung auf operativer Ebene entlastet werden kann:
- Einarbeitung der Führungsgrundsätze in die Leistungsbeurteilung und damit in die variable Vergütung, sofern vorhanden (=Organisation).
- Anpassen der Anforderungsprofile für Führungskräfte und diese bei Neueinstellung und Beförderung konsequent befolgen (=Personal/Kultur).
- Einführung von Feedback- und Befragungsinstrumenten, die sich an den verbindlichen Führungsgrundsätzen orientieren (Organisation).
- Erarbeiten einer Strategie die nicht nur beschreibt wie die Welt sein soll, sondern auch klare Aussagen trifft, was in der Organisation nicht gewollt ist (=Strategie)
Muster 5: Führungskräfteentwicklung als dogmatische Modeschau
Wie muss ich als Führungskraft kommunizieren, um Mitarbeiter zielorientiert zu beeinflussen? In den knapp 20 Jahren in denen ich nun im Geschäft bin, habe ich unzählige Antworten auf diese Frage gehört:
Liebe Führungskraft, heute sollst du kooperativ, autokratisch, situativ und authentisch sein. Natürlich ein absoluter Blödsinn. Wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung hält nicht dogmatisch an einem Modetrend fest.
Stattdessen gilt des die eigenen Führungs- und Kommunikationskompetenzen beständig weiter zu entwickeln. Manchmal kann man in einem Seminar über authentische Führung viel lernen, im nächsten Jahr über transformationale Führung.
Beispiel für ein Führungskräfte-Entwicklungskonzept
Bei der Erarbeitung eines Führungskräfteentwicklungskonzept ist die Führungslandkarte nach Ruth Seliger hilfreich. In ihrem lesenswerten Buch „Das Dschungelbuch der Führung: Ein Navigationssystem für Führungskräfte“ stellt sie die Aufgaben einer Führungskraft wie folgt dar:
Nach Seliger hat eine Führungskraft in der Praxis folgende Aufgaben zu bewerkstelligen:
- Sich selbst führen: Bedeutet zum einen Selbstreflexion. Also die Reflexion des eigenen Verhaltens. Zum anderen Selbstorganisation. Also die Gestaltung der eigenen Arbeit. Einteilung von Aufgaben, Zeit und Kontakten.
- Menschen führen: Hier geht es darum, die Verbindung zwischen Menschen und Organisation sicher zu stellen. Des Weiteren muss der Leistungsprozess von Mitarbeitern gesichert und die Kooperation zwischen Mitarbeitern gesteuert werden.
- Organisation führen: Entscheidend ist die Kernaufgabe von Organisationsführung. Entscheidungen haben den Sinn, Komplexität zu reduzieren und Sicherheit zu geben. In diesem Sinne könnte man auch von Steuerung der Rahmenbedingungen sprechen.
Seliger zeigt, dass die Aufgaben einer Führungskraft vielfältiger sind, als nur Menschen zu führen bzw. deren Verhalten auf Ziele auszurichten. „Sich selbst führen“ als Basiskompetenz und die „Organisation führen“ für Fortgeschrittene gehört ebenfalls dazu.
Viele Entwicklungskonzepte und -programme, die ich kenne, orientieren sich an der Führungslandkarte nach Seliger. Häufig hat das erste Modul mit der Reflexion der eigenen Rolle zu tun. Modul 2 erweitert den Fokus auf den Mitarbeiter. Modul 3 richtet den Scheinwerfer auf die Organisation und bringt Themen wie Changemanagement auf.
Fazit
Wer die Wirkung von Führungskräfte Entwicklungsprogrammen und Konzepten verbessern möchte, ist gut beraten die folgenden Muster zu beachten: Wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung muss einen Beitrag zum Geschäftserfolg leisten. Dies kann nur gelingen wenn das Entwicklungsprogramm nicht bei bei Führungsgrundsätzen stecken bleibt und über eine kurzfristige Feuerlöschaktion hinausgeht. Die Krönung besteht darin, die Organisationsstrukturen nicht aus dem Auge zu verlieren und Führungskräften die notwendigen Mittel an die Hand zu geben.




Dr. Patrick Fritz
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