Nach Workshops zum Thema „Einkauf 4.0“ und „Einkauf der Zukunft“ im Rahmen des Führungskreises Einkauf mit Carsten Vollrath und Reinald Schneller, möchte ich euch meine Erkenntnisse daraus in diesem FRITZ Tipp mitteilen und zur Diskussion stellen.
Was ist Einkauf 4.0 wirklich?
Wie der Gartner Hype Cycle aufzeigt, sind diverse Technologien am reifen, die Phantasie in Marketingbegriffe wie Einkauf 4.0 bringen können: Machine Learning, Cognitive Expert Advisors und Smart Robots. Allen Technologien gemeinsam, ist das Potential Aufgaben zu automatisieren, die bisher dem Menschen vorbehalten waren. Für den Einkauf heißt das ganz konkret, dass Aufgaben im operativen Bereich wegfallen bzw. automatisiert werden können. Einkauf 4.0 ist nun ein weiterer Marketingbegriff, der im Kern die neue Positionierung des Einkaufs im Unternehmen anspricht. Oder anders formuliert: Was macht der Einkauf, wenn operative Aufgaben wegfallen?
Welche Potentiale ergeben sich durch die Digitalisierung für den Einkauf?
1. Prozesseffizienz
Genannte Technologien nutzen, um operative Aufgaben im Einkauf bestmöglich zu automatisieren. Damit sind u.a. folgende Tätigkeiten gemeint:
- Anfragen an Lieferanten versenden
- Angebote einholen
- Bestellungen versenden
- Auftragsbestätigungen prüfen, vergleichen, eingeben
- Lieferscheine prüfen, vergleichen, eingeben
- Lieferantenrechnungen prüfen, vergleichen, eingeben
- Anhänge zu o.g. Belegen verarbeiten (Zeichnungen, Zertifikate, …)
Eine aktuelle Umfrage im Führungskreis Einkauf zeigt, manuelle Tätigkeiten machen 60-80% sämtlicher Aufwände in der Einkaufsabteilung aus. Hier liegt also ein großes Potential, das sich durch die Automatisierung manueller Einkaufsaufgaben heben lässt.
2. Kollaboration
Genannte Technologien nutzen, um den Einkauf möglichst effizient mit seinen Schnittstellenpartnern zu vernetzen. Traditionelle Lösungen wie EDI, OCR, Lieferanten-Portale oder Marktplätze. Aber auch innovativere Ansätze wie z.B. Apps auf KI-Basis.
Eine aktuelle Erhebung im Führungskreis Einkauf zeigt auch hier ein ernüchterndes Bild. Außer in der Automotive-Industrie und im Handel sind weniger als 10% der Lieferanten elektronisch angebunden. Nach Einschätzung von Schneller können die operativen Prozesse nur automatisiert werden, wenn alle oder die meisten Lieferanten elektronisch angebunden sind.
3. Geschäftsmodell
Da das technologische Knowhow intern nicht vorhanden ist, positioniert sich der Einkauf als Partner der Digitalisierung, indem er das Knowhow von extern in die Firma bringt. Königsaufgabe wäre es, das Geschäftsmodell des Unternehmens weiter zu entwickeln.
Fazit – Einkauf 4.0?
Zum einen ein weiterer Marketingbegriff. Zum anderen stecken Technologien dahinter, die man im Blickfeld haben sollte. Wenn sich 60-80% der Aufwände in der Einkaufsabteilung automatisieren lassen, stellt sich natürlich die Frage nach der neuen Positionierung des Einkaufs. Dass die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens durch den Einkauf vorangetrieben wird, sehe ich nicht. Dass die Anforderungen an den strategischen Einkauf steigen und die persönlichen Beziehungen zu Schlüssellieferanten immer wichtiger werden, ist für mich jedoch gesetzt.
Dr. Patrick Fritz
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