In diesem FRITZ Tipp möchte ich euch das Konzept der Dialektik des weltberühmten Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit einem einfachen Vergleich erklären. Beim Lesen von Hegel in 60 Minuten, musste ich immer wieder an die Horrorgeschichte „The pit and the pendulum“ von Edgar Allan Poe denken.
Inhalt
Die Grube und das Pendel
In der Kurzgeschichte die Grube und das Pendel wird die Hauptfigur zu Zeiten der spanischen Inquisition zum Tode verurteilt und fällt daraufhin in Ohnmacht. Als er aufwacht, liegt er gefesselt in einem dunklen Raum. Über ihm schwingt ein Pendel mit einer halbmondförmigen Klinge, die sich immer weiter herabsenkt. Wie die Geschichte ausgeht, überlasse ich eurer Fantasie!

Hegelsche Dialektik
Hegel (1770-1831) ist einer der bedeutendsten Philosophen der Welt, trotz seiner komplizierten Ausdrucksweise. Um die Dialektik Hegels auf den Punkt zu bringen, lehne ich mich deshalb eng bei Walter Ziegler an:
- Hegel war der Erste, der die Dimensionen des „Werdens“ in seiner ganzen Trageweite erkannt hat.
- Das menschliche Leben hat ebenso Prozesscharakter wie die Natur und die Geschichte.
- Dieser Prozess ist nicht willkürlich oder zufällig aneinandergereiht, sondern folgt einem logischen Bewegungsprinzip, der sogenannten Dialektik.
- So folgt auch die Geschichte der Menschheit einer inneren Logik. Eine Gestalt geht aus der vorausgegangenen hervor. Und dieses Hervorgehen nennt Hegel Dialektik. Graeber und Wengrow würden hier wohl widersprechen und die Menschheitsgeschichte als einen Karnevalzug politischer Formen bezeichnen.
- Wenn beispielsweise eine historische Zeit Widersprüche in sich trägt, kommt es zu geistiger und materieller Auflehnung. Die alte Ordnung gerät ins Wanken und wird durch eine neue Ordnung ersetzt.
- Beispielsweise hat die französische Revolution den Wechsel vom Absolutismus zur Aufklärung mit sich gebracht. Hegel spricht von der Dialektik der Aufklärung.
- Zuerst gibt es eine These, also den Leitgedanken, dann einen Widerspruch bzw. Antithese und schließlich die Synthese. Nach einiger Zeit wird aber die Synthese selbst wieder zur These und alles beginnt von vorne.
- These: Die Erde ist eine Scheibe. Antithese: Die Erde ist rund. Synthese: Die Erde ist der runde Mittelpunkt des Universums. Diese Synthese wurde über Jahrhunderte zur These, bis Kopernikus erneut widersprochen hat.
- Nach Hegel sind der göttliche Weltgeist, der denkende Mensch und die Weltgeschichte nur drei verschiedene Perspektiven ein und derselben Bewegung, der dialektischen Vernunftsentfaltung.
Dialektik einfach erklärt durch Poe
Dialektik ist ein Entwicklungsprinzip, nachdem eine Gestalt aus der vorausgegangenen hervorgeht. Dieses logische Hervorgehen nennt Hegel Dialektik.
Quelle: Walter Ziegler – Hegel in 60 Minuten
Vielleicht würde Edgar Allan Poe die Dialektik nach Hegel mit dem Pendel aus seiner Geschichte „The pit and the pendulum“ erklären:
Die Animation müsste noch mit einem immer weiter herabkommenden Pendel erweitert werden, welche Fortschritt bzw. Entwicklung symbolisiert. Im Sinne der Abbildung gesprochen, vielleicht braucht es Trump, damit etwas vernünftigeres folgen kann, dass uns weiterbringt.
Die Wurzeln von Hegels Dialektik
Wie so oft steht auch Hegel auf den Schultern von Riesen, wenn er seine Vorstellungen von Dialektik darlegt.
Bereits Heraklit (520-460 v. Chr.) behauptet mehr als 2000 Jahre zuvor, das alles was ist, zugleich durch sein Gegenteil bedingt ist und es als solches in sich trägt. Precht folgend ist dieser Gedanke mit einem Wort Platons als dialektisches Denken in die Philosophiegeschichte eingegangen (Precht, S. 83).
Platon (428-348 v. Chr.) formulierte dialektische Dialoge. Ein kunstvolles Spiel mit Argumenten und Gegenargumenten, das am Ende zu einem höheren Erkenntnisgewinn führen soll. Ein ganzer Dialog seines Werks beschäftigt sich mit dem Wesen der Erkenntnis (Precht, S. 154).
Der Grundstein zur Dialektik wurde bereits in der Antike gelegt. Vieles davon ist im Mittelalter verloren gegangen und fand erst über Umwege wieder zurück ins abendländische Denken. Abaelard (1079-1142 n. Chr.) versucht beispielsweise die Wiedersprüche innerhalb der Kirche dialektisch zu untersuchen – was ihm eine Verurteilung als Ketzer einbringt (Precht, S. 442).
Francis Bacon (1561-1626 n. Chr.) wird vor diesem Hintergrund in der Renaissance ein wenig übertrieben zum geistigen Vater der Induktion erklärt. Nach ihm stellt ein wahrer Wissenschaftlicher keine Theorien auf, die vom Allgemeinen auf das Besondere schließen (Deduktion). Stattdessen orientiert er sich am Einzelfall und dringt zum Allgemeinen vor (Induktion).
Hegel für Führungskräfte
Was nutzt dir der Kerngedanke der Dialektik von Hegel? In meiner Wahrnehmung durchlaufen wir im Management immer wieder gewissen Moden wie zum Beispiel:
- Wir brauchen keine Führungskräfte vs Wir brauchen starke Führungskräfte (Holacracy)
- Mehr Agilität vs Mehr Planung (Unternehmensentwicklung)
- Fremdorganisation vs Selbstorganisation
- New Work vs Old Work
Oder wie es Altmeister Peter F. Drucker bereits 1977 auf den Punkt gebracht hat: “In the ten years between 1910 and 1920 (..) every single one of the great themes of management is struck (..) . And almost everything that we have done since then, in theory as well as in practice, is only a variation and extension of the themes first heard during that decade”
Jetzt kommt allerdings der wichtige Punkt: almost everything meint nicht alles, sondern nur beinahe! Jede dieser Pendelbewegungen bringt auch immer wieder neue Gedanken, Aspekte und Ideen mit sich. Im Kern bekannt – am Rande doch etwas Neues.
Hier gilt es wachsam zu sein und die feinen, aber vorhandenen Fortschritte zu erkennen. Dies gelingt nach Hegel am besten im Austausch mit anderen. Nur wer sich im regen Austausch befindet und bewährt, praktiziert Bildung. Das „Fürsichsein“ bedeutet den „Verlust seiner selbst“.
Fazit
Für mich liefert die Hegelsche Dialektik ein wichtiges Entwicklungsprinzip. Fortschritt kann als Pendelbewegung gedacht werden. Auch wenn der Fortschritt noch so gering ist, jeder Ausschlag ins Extreme, wie z.B. die Antithese Trump, kann Gutes bringen. Wir müssen nur aufmerksam bleiben und nicht gleich alles machen. Zugegeben eine schwierige Aufgabe – dennoch eine lohnende.
Dr. Patrick Fritz
Lieber Dr.Fritz,
unter dem Stichwort „Maschinenfragment“ (PDF bei Wildcat) beschrieb Karl Marx 1858 wie aus Kapitalismus per Entwicklung der Produktivkräfte und Aufhebung der Notwendigkeit menschlichen sich Verplemperns in Arbeit/Arbeitszeit das Ding SOZIALISMUS wird.Reinste Dialektik. 2019 schrieb Ökonom Egon W. Kreutzer ohne hinderndes oder dopendes Marx Kennen was die Digitalisierung bewirken wird (Tag der allgemeinen Wertlosigkeit). Leider fiel das dialektische Ereignis Kapitalismus gebiert Sozialismus dem Herrn Kreutzer nicht ein, noch auf. Aber Ihnen wohl ziemlich mühelos, sehr geehrter Herr Dr. Fritz.
Herzlichst,
Klaus-Peter Kostag
Lieber Herr Kostag,
herzlichen Dank für die tolle Ergänzung zum Artikel mit einem hervorragenden Dialektik-Beispiel.
Beste Grüße
Patrick Fritz
Lieber Herr Dr. Fritz!
Nach der Hegelschen Dialektik Grundlage hatten auch Marx und Engels dieser Original – Dialektik und Materialismus zu Synergie verholfen. Wäre toll lieber Dr. Fritz, jene Folgedialektik ebenfalls durch Sie präsentiert zu bekommen. Weil ja derzeit das Wort SOZIALISMUS als das am liebsten benutzte Universal-Schimpfwort von ansonsten fast Intellektuellen erscheint . . .
Herzlichst, Ihr
Klaus-Peter Kostag