John P. Kotter, emeritierter Professor für Leadership an der Harvard Business School, ist seit 1995 mit seinem Artikel Leading Change: Why Transformation Efforts Fail im Harvard Business Review zum Papst der Change Management Szene aufgestiegen. Grund genug seine Arbeit in diesem FRITZ Tipp kritisch zu beleuchten.
Inhalt
Was ist Change Management?
Change Management ist nach John Kotter der Prozess der Planung, Umsetzung und Überwachung von Veränderungen in einer Organisation, um sicherzustellen, dass die Veränderungen erfolgreich sind und die Ziele der Organisation erreichen.
Dieser Prozess kann sowohl kleinere als auch größere Änderungen in verschiedenen Bereichen einer Organisation betreffen, wie z.B. Strategie, Struktur, Prozesse, Technologie und Kultur.
Einfach erklärt, versammeln sich unter dem Regenschirm Change Management oder Veränderungsmanagement alle Aktivitäten, die sich mit der Gestaltung von Veränderungsprozessen beschäftigen, um von A nach B zu kommen. A ist die unangenehme Ausgangssituation. B ist der gewünschte Zielzustand. In folgendem Video spricht Altmeister Kotter über Change Prozesse höchst persönlich:
Welche Change Management Modelle gibt es?
Es gibt unzählige Change Management Modelle, um von A nach B zu kommen. Alle Modelle gehen der Frage nach, wie erfolgreiche Veränderung (besser) gelingen kann. Das wohl bekannteste Change Management Modell ist das 8 Stufen Modell nach Kotter. Knapp gefolgt vom 3 Phasen Modell nach Kurt Lewin und den 7 Phasen der Veränderung nach Elisabeth Kübler-Ross.
8 Stufen Modell nach John Kotter
Das 8 Stufen Modell baut auf den von Kotter identifizierten typischen Fehlern in Change Projekten auf. Aus jedem dieser Fehler (linke Spalter) leitet Kotter eine Phase seines Change Management Modells ab (rechte Spalte):
Typische Fehler | Change Management Phase |
Not Establishing a Great Enough Sense of Urgency | Gefühl der Dringlichkeit vermitteln |
Not Creating a Powerful Enough Guiding Coalition | Führungskoalition aufbauen |
Lacking a Vision | Vision und Strategie entwickeln |
Undercommunicating the Vision by a Factor of Ten | Vision kommunizieren |
Not Removing Obstacles to the New Vision | Hindernisse aus dem Weg räumen |
Not Systematically Planning For and Creating Short-Term Wins | Kurzfristige Erfolge sichtbar machen |
Declaring Victory Too Soon | Veränderung weiter antreiben, nicht nachlassen |
Not Anchoring Changes in the Corporation’s Culture | Veränderungen in der (Unternehmens-)Kultur verankern |
Die genannten Change Management Phasen nach Kotter stellen zugleich praktische Tipps für Führungskräfte und Manager zur Anwendung des 8-Stufen-Modells in ihrem Unternehmen dar. Nach Kotter sind die 8 Stufen erfolgskritischer Bestandteil eines jeden Veränderungsmanagements:
Um das 8 Stufen Modell zu illustrieren, hat John Kotter gemeinsam mit Holger Rathgeber, die Tierfabel das Pinguin-Prinzip geschrieben. Dabei wendet eine Pinguin Kolonie instinktiv das Change Management Modell von Kotter an, um der Katastrophe eines schmelzenden Eisbergs zu entkommen.
Aber auch in der Praxis hat das 8 Stufen Modell nach John Kotter breite Anwendung gefunden. Procter & Gamble (Produktivität), IBM (Hardware-Software), Nestlé (Struktur) und Ford (Effizienz) sind Fallbeispiele von Unternehmen, die Veränderungen mit Hilfe des Change Management Modells von Kotter umgesetzt haben.
3 Phasen Modell nach Kurt Lewin
Neben den klassischen Führungsstilen, verdanken wir dem berühmten Sozialpsychologen Kurt Lewin (1890-1947) das 3 Phasen Modell des Change Managements. Nach seiner Auswanderung arbeitete er an der Frage, wie Deutschland nach Kriegsende in Richtung einer Demokratie verändert werden könnte. Veränderungen in gesellschaftlichen Gruppen erfolgen nach Lewin in 3 Phasen:
- Unfreezing oder Auflockern: Damit ist die Vorbereitung auf die anstehende Veränderung gemeint.
- Moving oder Hinüberleiten: Durch direkten Eingriff und Training werden neue Gruppenstandards etabliert.
- Freezing oder Verfestigen: Über die Einführung hinweg, wird überwacht ob der Change Prozess funktioniert.
Obwohl das 3-Phasen-Modells für die Erklärung von Veränderungsprozessen in gesellschaftlichen Gruppen dient, gilt das Modell heute als Pioniertheorie im Bereich Veränderungsmanagement. Vor diesem Hintergrund kann Kotters 8 Stufen Modell als Weiterentwicklung von Lewins 3 Phasen Modell gesehen werden.
7 Phasen der Veränderung nach Elisabeth Kübler-Ross
Push-Projekte wie die Veränderung von Vision, Leitbild und Kultur sind nicht bedrohlich, erfordern jedoch eine Verhaltensveränderung der Betroffenen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die typischen Change Management Phasen zu kennen. Elisabeth Kübler-Ross beschreibt das emotionale Erleben von Menschen in 7 Phasen der Veränderung. Welche Phasen macht ein Mensch auf der emotionalen Ebene durch, wenn er mit einer Veränderung konfrontiert ist?
- Schock: Veränderung ist emotional ein Schock. Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier. Damit verbunden ist immer auch ein Stück Verdrängung.
- Verneinung: Auf den Schock folgt eine heftige Abwehr-Reaktion. Die betroffenen Mitarbeiter wollen nämlich zeigen, dass alles gut ist, wie es ist.
- Trauer: Die Veränderungsbereitschaft ist am Boden angelangt. Als Führungskraft gilt es Feingefühl walten zu lassen, um die Mitarbeiter nicht zu überfordern.
- Abschied: Der Trauer folgt innerlicher Abschied: „Ja, ich lasse das Alte los – es ist aus und vorbei – ich muss mich mit den neuen Gegebenheiten auseinandersetzen“.
- Akzeptanz: Ich stelle mich langsam auf die neue Situation ein. Die Akzeptanz der neuen Situation tritt ein. Die Veränderungsbereitschaft erhöht sich langsam.
- Ausprobieren: Ich versuche mich mit den neuen Gegebenheiten anzufreunden. Vielleicht hat die Veränderung auch sein Gutes.
- Integration: Ich habe mich mit der neuen Situation vertraut gemacht. Nun gilt es sich einzuschwingen, damit in Zukunft alles glatt läuft und Stabilität einkehren kann.
Für mich sind die 7 Phasen der Veränderung, die ideale Ergänzung zu Kotters 8 Stufen Modell. Während Kotter den Veränderungsmanager oder Change Manager anspricht und ihm eine Schritt für Schritt Anleitung liefert, fokussieren die 7 Phasen auf den Betroffenen der Veränderung. In der nachfolgenden Abbildung habe ich die beiden Modelle übereinandergelegt. Die roten Ziffern 1-8 entsprechen dem 8 Stufen Modell nach Kotter:
Was sind Change Management Methoden?
Change Management Modelle sind auf Prozessebene angesiedelt. Welche Schritte sind zu machen, um von A nach B zu kommen. Change Management Methoden gehen der Frage nach dem Wie nach. Wie sollen die Schritte von A nach B gegangen werden?
Hierzu lohnt sich ein Blick ins Regal der Führungsliteratur. Ähnlich den klassischen Führungsstilen nach Lewin wird zwischen autoritären und kooperativen Veränderungsstrategien unterschieden. In diesem Spektrum lassen sich nach Rieckmann folgende Change Management Methoden identifizieren:
Befehl und Gehorsam entsprechen dem autoritären Führungsstil, in diesem Fall auch gerne Bombenwurf-Strategie genannt. Totale Partizipation und Organisationsentwicklung entsprechen dem kooperativen Führungsstil. In diesem Fall auch gerne Bottom-Up-Strategie genannt.
Meines Wissens gibt es keine empirisch belegten Aussagen, welche Change Management Methode die Beste ist. Die eigentliche Frage lautet eher, woran will ich glauben. Glaube ich eher an den Erfolg autoritärer/direktiver Techniken oder an kooperative/partizipative Instrumente?
Die vorliegende Empirie scheint einen Tick mehr auf autoritärer/direktive Techniken hinzuweisen. Snowden geht einen Schritt weiter und gibt eine klare Richtung vor. Je einfacher das Problem, desto eher autoritäre, direktive Change Management Methoden. Je komplexer das Problem desto eher kooperative, partizipative Change Management Methoden.
Organisationsentwicklung und Change Management
Für Rieckmann ist Organisationsentwicklung eine mögliche Change Management Methode. Andere Autoren sehen Organisationsentwicklung als alternativen Ansatz zu Change Management. Nach Häfele ist Organisationsentwicklung definiert als:
(..) ein Veränderungsprozess einer Organisation und der darin tätigen Menschen, der sich an bestimmten Werten und Prinzipien orientiert.
In diesem Sinne beschreibt klassische Organisationsentwicklung eine wertorientierte Haltung für die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen. Janes stellt fest, die Grenze zwischen Change Management und Organisationsentwicklung ist in der Praxis ausgesprochen unklar. Dennoch sind es zwei verschiedene Zugänge zur Steuerung und Gestaltung von Veränderungen.
Change Management setzt auf Veränderungen von außen oder Oben mit dem Ziel die Veränderung zu beschleunigen. Organisationsentwicklung setzt auf Veränderung von Innen oder Unten mit dem Ziel die Betroffenen bestmöglich zu integrieren.
Wie kann Change Management gemessen werden?
Der Erfolg von Change Management kann auf verschiedene Weise gemessen und bewertet werden. Drei gängige Methoden sind:
- Mitarbeiterbefragungen: Durch regelmäßige Befragungen können die Meinungen und Einstellungen der Mitarbeiter zur Veränderung erfasst werden. Hierbei können beispielsweise Fragen zu den Auswirkungen der Veränderungen auf die Arbeitsprozesse, die Zufriedenheit mit den neuen Arbeitsbedingungen oder die Qualität der Kommunikation gestellt werden.
- Kennzahlen: Durch die Messung von Kennzahlen wie Produktivität, Umsatz oder Kundenzufriedenheit können die Auswirkungen der Veränderungen auf das Unternehmen bewertet werden. Dabei sollten vorher definierte Zielwerte mit den tatsächlich erreichten Werten verglichen werden.
- Feedback von Kunden und Partnern: Das Feedback von Kunden und Partnern kann Aufschluss darüber geben, ob die Veränderungen positive Auswirkungen auf die Beziehungen und die Zusammenarbeit haben.
Es ist wichtig, dass die Erfolgsmessung im Vorfeld der Veränderung geplant wird, um die Ziele und Erfolgskriterien zu definieren und die geeigneten Methoden auszuwählen.
Change Management Beispiele
Diese Reise von A nach B kann mit unterschiedlichsten Titeln versehen werden: Turnaround, Kostensenkung, Outsourcing, Fusion, Reorganisation, Prozessoptimierung, Total Quality Management, Einführung von IT-Systemen, Kulturveränderung.
All diese Problemstellungen können unter der Klammer Change Management zusammengefasst werden. Die genannten Change Management Beispiele werden in den allermeisten Fällen als Projekte durchgeführt. Berner unterteilt Change Management Projekte in Pull und Push:
Pull-Projekte haben eine hohe Bedrohlichkeit für das Unternehmen und bringen einen hohen Informationsbedarf der Betroffenen mit: Turnaround, Sanierung, Fusion, Kostensenkung, usw.
Push-Projekte sind nicht bedrohlich, erfordern jedoch eine Verhaltensänderung der Betroffenen: Vision, Leitbild, Kultur, TQM, usw.
Einige berühmte Beispiele für Change Management-Initiativen sind General Electric (Produktion-Dienstleistung), Procter & Gamble (Zentral-Dezentral), Apple (Fokus auf Design und Innovation) und Nissan (Profitabilität). Meiner Meinung nach lässt sich aus diesen Beispielen jedoch keine Best Practice Lösung für Change Management ableiten.
Fazit – Change Management nach John Kotter
Der intuitive und praktische Charakter des 8 Stufen Modells nach Kotter trägt mit Sicherheit zu dessen großer Popularität bei. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass keinerlei Studien existieren, die die Wirksamkeit des Vorgehensmodells nachweisen (Vgl. Appelbaum, Habashy, Malo, Shafiq 2012).
Unter dem Strich hat John Kotter die Wahrnehmung dafür geschärft, das Management der Veränderung an sich nicht zu unterschätzen. Ähnlich Projektmanagement, braucht es sowohl inhaltliche Arbeit als auch Arbeit am Prozess.
Dr. Patrick Fritz
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