Change Leadership oder wie führe ich in Veränderungsprozessen? In diesem FRITZ Tipp verrate ich euch wichtige Erkenntnisse aus Führungskreis-Workshops, um eure Change Projekte erfolgreicher zu machen.
Inhalt
Was ist Change Leadership?
Die typischen Fehler in Change Management Projekten spielen sich fast ausnahmslos auf der sozialen Ebene ab. Vor diesem Hintergrund machte Harvard-Professor John P. Kotter den Begriff Change Leadership bekannt, insbesondere durch sein Buch Leading Change.
Change management, which is the term most everyone uses, refers to a set of basic tools or structures intended to keep any change effort under control.
Change leadership, on the other hand, concerns the driving forces, visions and processes that fuel large-scale transformation.
Quelle: John P. Kotter, Leading Change
Change Management meint nach Kotter die konkrete Umsetzung einer Veränderung. Während Change Leadership bedeutet, eine Vision eines neuen Zustands zu entwickeln und andere zu inspirieren und zu befähigen, sich der Transformation anzuschließen. Hier zum nachhören:
Kotter argumentiert ähnlich wie bei der Diskussion Führung vs. Management. Mit klassischem Management sind betriebswirtschaftliche Aufgaben verbunden. Leadership umfasst verhaltenswissenschaftliches Wissen, das sich mit der Führung von Mitarbeitern befasst.
Die folgenden Tipps sollen dir dabei helfen in Veränderungsprozessen Führung zu übernehmen (=Change Leadership) und dadurch für Betroffene in der Rolle als Change Leader Orientierung in Zeiten des Wandels zu geben.
Tipp 1: Change Formel
David Gleicher hat während seiner Zeit bei Arthur D. Little in den frühen 60er Jahren die Change Formel publiziert, die in den 80er Jahren von Kathie Dannemiller verfeinert wurde: D x V x F > R . Diese drei Faktoren müssen vorhanden sein, um nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen:
„Der Führungskreis für High Potentials bietet mir eine ideale Plattform, mit Führungskräften aus unterschiedlichen Unternehmen zusammen zu kommen. Der offene Erfahrungsaustausch mit anderen Führungskräften hilft mir in der persönlichen Weiterentwicklung. Aus den auf die Bedürfnisse der Teilnehmer abgestimmten Vortragsthemen und den sehr gut ausgewählten Referenten, ergeben sich stets Erkenntnisse, die ich in meinen Arbeitsalltag einfliessen lassen kann.“
- D = Dissatisfaction with how things are now: Change Leader müssen einen Löwen bzw. Unzufriedenheit mit der Ausgangssituation schaffen, der die Motivation für ein „Weg von“ schafft. Was passiert, wenn nichts passiert? Was ist die Notwendigkeit der Veränderung?
- V = Vision of what is possible: Gleichzeitig braucht es ein attraktives Zukunftsbild, das Motivation für ein „Hin zu“ schafft. Wie sieht das gelobte Land aus? Wie fühlt es sich an? Welches Ziel verfolgt die Veränderung?
- F = First, concrete steps that can be taken towards the vision: Zudem muss der unmittelbar nächste, konkrete Schritt von der Ausgangssituation hin zum Zukunftsbild klar sein. Wie können wir erwünschtes Verhalten ermöglichen? Wie befähigen wir unsere Mitarbeiter, damit sie auf die Reise gehen können?
- R = Resistance: Wenn das Produkt von D x V x F größer als der Widerstand zur Veränderung ist, kann das Change Projekt gelingen. Zur Überwindung von Widerstand ist auch ein Blick auf die Systemprinzipien nach Varga von Kibéd hilfreich.




Tipp 2: Change Leader
Um in die Rolle des Change Leader zu schlüpfen, ist es wichtig zu wissen, was im Gehirn meiner Mitmenschen bei Veränderungsvorhaben vorgeht. Precht liefert uns dazu die Grundlagen aus der Wahrnehmungspsychologie:
Alles, was wir erleben und aufnehmen, sortieren wir in Windeseile nach der Frage, ob es für uns relevant ist. Und das ist vor allem das, was neu ist oder wichtig oder am besten beides. Dabei denken wir selten lange darüber nach, ob etwas wirklich relevant ist, wir fühlen es vielmehr.
Veränderungen sind sowohl neu und wichtig für uns. Sie lösen bei Betroffenen Stress aus, weil mit der lieb gewonnenen Routine gebrochen werden muss. Unser Gehirn geht dabei nachfolgendem Schema vor:




- Kenne ich das? Wenn diese Frage mit ja beantwortet werden kann ist alles gut, die Handlungsfähigkeit bleibt gewahrt. Hier kommt Erfahrung mit ins Spiel. Viel Erfahrung heißt, ich kenne schon sehr viele unterschiedliche Situationen. Nichts bringt mich so schnell aus der Ruhe. Lautet die Antwort Nein, stellt sich die nächste Frage.
- Ist es gefährlich? Es schwingt bereits Verunsicherung mit. Wenn die Situation nicht gefährlich ist, ist nach wie vor alles in Ordnung. Droht jedoch Gefahr, bekommt man es schlagartig mit der Angst zu tun. und es stellt sich die letzte Frage.
- Kenne ich eine Strategie gegen die Gefahr? Ja? Dann ist nach wie vor alles in Butter. Nein heißt, Panik bricht aus. An dieser Stelle gibt es nur noch drei Optionen: Flucht (Kündigung, Versetzung), Kampf (Opposition, Widerstand) oder Totstellen (Dienst nach Vorschrift).
Tipp 3: Change Kurve
Das emotionale Erleben von Menschen in Veränderungsprozessen verläuft nicht konstant wie bei einer Maschine, sondern in unterschiedlichen Phasen. Das zugehörige Modell nach Kübler-Ross nennt sich Change Kurve, Veränderungskurve oder Trauerkurve. In der nachfolgenden Abbildung ist auf der Y-Achse die Produktivität abgetragen und auf der X-Achse die Zeit.




Allein schon die Gerüchteküche sorgt dafür, dass die Produktivität im Zuge einer anstehenden Veränderung sinken kann. Die dadurch entstehende Sorge oder Unsicherheit (siehe oben „Kenne ich das schon?“) wird nach der Entscheidung bzw. Information der Veränderung durch einen Schock abgelöst.
Darauf folgt eine heftige Abwehr-Reaktion. Die Betroffenen wollen nämlich zeigen, dass alles gut ist, wie es ist. Es braucht keine Veränderung, die Produktivität steigt ohnehin. Erst darauf folgen Trauer und der unausweichliche Abschied. Aus dieser Betrachtung ergeben sich in Veränderungsprozessen fünf zentrale Gefahren, die Change Leader beachten müssen:
- Transparenz: Zu späte oder unklare Kommunikation der anstehenden Veränderung verlängert die Phase der Sorge unnötig. Klatsch und Tratsch nimmt überhand.
- Glaubwürdigkeit: Wenn die Produktivität unerwartet steigt, handelt es sich um eine natürliche Reaktion auf die Veränderung. Beim ersten Widerstand einzuknicken und alles abzublasen wäre ein großer Fehler, der die Glaubwürdigkeit enorm beschädigt.
- Plattform für Emotionen: Wenn Produktivität und Stimmung im Keller sind, lohnt es sich nicht, aufmunternde Sprüche zu reisen. Hier gilt es den Emotionen eine Plattform zu geben und berechtigte Trauer zuzulassen. Schließlich war früher nicht alles schlecht. Es lohnt sich, darum zu trauern.
- Beteiligung: Ich bin kein Freund von unreflektierter Beteiligung. Vor allem wenn es darum geht, Verantwortung für die inhaltliche Ausrichtung zu delegieren. Wenn es aber um die Ausgestaltung der gesetzten Veränderungsziele geht, kann Beteiligung durchaus zum Erfolgsfaktor werden.
- Zeit: Größere Veränderungsprozesse können bis zu 18, max. 24 Monate dauern. Nur weil man am Gras zieht, wächst es auch nicht schneller. Soll heißen: Change Leader müssen der Veränderung die notwendige Zeit einräumen.
Change Management Beispiel
Nicht nur in der Statistik, sondern auch in Change Projekten gibt es eine Normalverteilung. 10-20% der Betroffenen einer Veränderung werden immer begeistert sein. Häufig die Leute die sich durch die Veränderung eine Verbesserung versprechen.
Ebenso werden 10-20% der Betroffenen sich partout nicht für die Veränderung begeistern können. Auch in diesen Fall wahrscheinlich die Leute, die sich eine Verschlechterung durch den Change erwarten. Die Mehrheit der Betroffenen hat ein Fragezeichen auf der Stirn und ist unentschlossen. Genauso wie bei anstehenden Wahlen im politischen Umfeld.




Aus dieser Betrachtung ergibt sich eine zentrale Gefahr, die Change Leader beachten müssen: Man fokussiert sich ausschließlich auf die Gegner der Veränderung. Die Leute die also Wind machen und in offene Oppositionen treten.
Wenn man seine eigene Energie zu stark auf die Gegner lenkt, besteht die Gefahr, dass die Fragezeichen ebenfalls in diese Richtung schwappen. Dabei gibt es genauso viele Fürsprecher, denen nur eine geeignete Bühne geschaffen werden muss, um die Fragezeichen in diese Richtung zu bewegen.
Fazit – Change Leadership
Wie führe ich in Veränderungsprozessen? ist eine der zentralen Fragen von Führungskräften in unseren Führungskreisen. Durch Beachtung von Change Formel, Change Leader und Change Kurve gewinnt man zusätzliche Landkarten, um sich in Veränderungsprozessen besser zurecht zu finden und diese gemeinsam erfolgreicher zu bewältigen.
Dr. Patrick Fritz
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