Unerwartet durfte ich mit Herbert Salzmann von Trigon ein spannendes Gespräch über die Wirksamkeit von Beratung führen. Ausgangspunkt des Gesprächs war der gemeinsame Zweifel an der Wirksamkeit klassischer Beratungsprozesse. Gerade für Führungskräfte als Auftraggeber von Beratung, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen der Beratung.
Was ist Beratung?
In Anlehnung an Dr. Wolfgang Looss heißt Beratung, irgendjemanden zu irgendetwas zu beraten.
Irgendjemand kann eine Einzelperson sein. Personenbezogene Einzelberatung von Menschen in der Arbeitswelt nennt sich Coaching. Irgendjemand kann aber auch eine Gruppe oder ein Team sein. Teamberatung oder Teamentwicklung sind gängige Begriffe. Irgendjemand kann aber auch eine Organisation sein. In diesem Fall sprechen wir von Organisationsberatung.
Irgendetwas ist ein vom Klienten empfundenes Problem. Ein Problem ist nach Klaus Mücke eine Ist-Soll-Abweichung. Um das Gefühl einer Abweichung aufrecht zu erhalten braucht es Energie. Diese Energie kann von Innen oder außen kommen. Von Innen kann eine Frage der Anlass für Beratung sein, wie z.B. ich weiß nicht mehr weiter. Von außen kann es ein fiktives Soll sein, wie z.B. New Work oder Agilität. Looss spricht in diesem Zusammenhang von einer Trägerfolie für Beratung.
Wie geht Beratung?
Beratung kann auf zwei Wegen erfolgen.
Gibt es eine klare Antwort auf die Frage des Klienten braucht es einen Experten, um einen Ratschlag zu erteilen. Der Experte hat einen Vor-rat an Ratschlägen und erteilt diese gerne gegen ein Honorar im Beratungsgespräch. Gerne auch Fachberatung oder Advising genannt. Noch besser, wenn der Experte das Problem selbst geschaffen hat bzw. Soll-Vorstellungen für den Kunden entwickelt hat. Dann kann der Berater den Klienten passgenau beraten. Leider ist es nur wenigen Beratern vergönnt eine eigene Religion zu stiften, wie z.B. Jeff Sutherland mit SCRUM. Gott sei Dank bleibt aber auch für seine Apostel der Agilität genügend Arbeit.
Gibt es keine klare Antwort auf die Frage des Klienten braucht es einen Experten in der Technologie des Rat Schaffens. Weil es keinen Vor-rat gibt, muss neuer Rat erst geschaffen werden. Gerne auch Prozessberatung oder Counseling genannt. Diese Technologie verstanden als Handwerk besteht in erster Linie aus kluger Kommunikation. Durch die Wiedereinführung von Kommunikation ins Getriebe sollen neue Optionen für die Einzelperson, das Team oder die Organisation geschaffen und ausgewählt werden. Wie die Optionen aussehen hat dem Berater egal zu sein. Alles andere wäre eine Ideologie oder Religion, womit wir wieder beim Ratschlag erteilen wären.
Zur Integration der beiden Wege der Beratung gibt es unzählige Abhandlungen, wie z.B. komplementäre Beratung, an die ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen werde.
Wie wirkt Beratung?
Unabhängig vom Herstellungsprozess der Ware Rat, hat jede Beraterzunft ihre eigenen Vorstellungen davon, wie Sie wirksam werden kann. Oft sind diese Landkarten verdeckt und selbst die handelnden Akteure sind sich ihrem Zugang zur sogenannten Intervention nicht bewusst. In meiner Wahrnehmung gibt es drei Interventionszugänge, die sich an den Entscheidungsprämissen nach Luhmann entlang hanteln.
Beraterzunft 1, die Management-, Experten- oder Fachberater, wird vorwiegend über den Entscheidungsparameter Strategie wirksam. Niklas Luhmann spricht von Entscheidungsprogrammen. Motto: Ich als Problemlösungsexperte sage euch durch rationale Analyse und Konzept wie das Problem top-down zu lösen ist.
Beraterzunft 2, die Organisationsentwickler, werden vorwiegend über den Entscheidungsparameter Kultur bzw. Verhalten der Mitarbeiter wirksam. Luhmann spricht von Personal. Motto: Ich als Kommunikationsexperte gestalte Prozesse um durch Beteiligung und Feedback das Problem bottom-up zu lösen.
Beraterzunft 3, die systemischen Berater, werden vorwiegend über den Entscheidungsparameter Struktur bzw. Organisation wirksam. Luhmann spricht von Kommunikationswegen. Motto: Ich als Organisationsexperte gestalte Strukturen, um durch veränderte Kommunikation das Problem lösen zu lassen.
In der Praxis ist die Arbeit an den Entscheidungsprämissen niemals trennscharf. Natürlich wird ein Managementberater auch über Strukturen sprechen. Natürlich wird ein systemischer Berater das Wort Kultur in den Mund nehmen. Das ist aber gar nicht so entscheidend. Ganzheitliche Unternehmensentwicklung braucht immer die Arbeit an allen Entscheidungsprämissen. Wichtig sind die handlungsleitenden Landkarten.
Was ist das Problem?
Um die Worte von Exner & Exner in den Mund zu nehmen, 80% passt eh. 20% erfordern veränderte Antworten. Unwichtig, ob es 20% oder mehr sind, sie bestehen sicherlich aus vielen Punkten. Fokussieren möchte ich allerdings auf die angesprochenen handlungsleitenden Landkarten und damit auf fehlende Anschlussfähigkeit.
Das immer wieder beschworene Mantra der kürzer werdenden Planungshorizonte führt bei Beratern dazu, alles für alle sein zu wollen. Heute Strategie in der Geschäftsleitung, morgen Fachberater für CRM, übermorgen private Paarberatung. Die Anschlussfähigkeit wird durch Berater (und Klienten) nicht überprüft. Passt meine Landkarte zum Problem oder stülpe ich meine Landkarte über das Problem?
Nicht umsonst rät Altmeister Looss dazu, wähle aus, mit wem du dich ausreichend ähnlich machen kannst . Um eben nicht alles für alle zu sein, braucht es strenge Selektion bei Branche und Schwelligkeit. Ein volles Auftragsbuch ist eben doch die beste Qualitätssicherung, die es geben kann.Fazit
Nicht nur für Berater, auch für deren Kunden, lohnt sich die Frage, passt der Topf zum Deckel. Stimmen die handlungsleitenden Landkarten nicht, bekommt man einen Kulturprozess, für ein Ertragsproblem. Das diese vermeintliche Lösung, als Theater auf der Bühne der Organisation empfunden wird, darf keinen verwundern. Schließlich geht es bei Beratung letztlich um die Absorption von Unsicherheit, die mit jeder Veränderung einhergeht. Dazu kann auch ein Theaterstück beitragen, ob es das tiefer liegende Problem wirklich löst, ist zumindest fragwürdig.
Dr. Patrick Fritz
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